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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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einem so bedeutenden Festabend geladen wurden. Zu ihnen gehörten auch Stepan Raskin und Semjon Tirenko, die sich sofort nach ihrem Eintritt ins Zelt in eine Ecke geflüchtet hatten, aus der sie sich kaum zu lösen wagten. Zu ihrer Erleichterung brachte ihnen ein als Diener fungierender Soldat Wein und Wodka, so dass sie sich ein wenig Mut antrinken konnten.
    Nach einer Weile deutete Raskin zum Zelteingang. »Schau, da kommt Sergej Wassiljewitsch. Dabei hieß es doch heute Morgen noch, er hätte sich jetzt endgültig die Ungnade des Zaren zugezogen.«
    Sergej war kaum weniger überrascht als seine Freunde, hierher eingeladen oder, besser gesagt, beordert worden zu sein. Er hatte immernoch nach einer Möglichkeit gesucht, Bahadur zu befreien, doch Kitzaq, mit dem er sich hatte beraten wollen, war nicht mehr auffindbar gewesen, und dann hatte es geheißen, der Gefangene wäre an einen anderen Ort gebracht worden. Nun hegte er die Hoffnung, bei den zwanglosen Gesprächen etwas über Bahadurs jetziges Gefängnis erfahren zu können. Aus Trotz gegen den Zaren und dessen Unbarmherzigkeit hatte er sich jedoch nicht die Mühe gegeben, etwas an seinem Aussehen zu ändern, und wirkte nun in seiner angeschmutzten Felduniform wie ein Rebhuhn unter lauter Pfauen und Fasanen.
    Pjotr Alexejewitsch, der sonst wenig auf sein Äußeres gab, trug an diesem Abend den grünen Rock eines Generalobersten der russischen Armee mit dem blauen Band des Andreasordens und einer Schärpe in den russischen Farben Weiß, Blau und Rot. Die hüfthohen Stiefel waren frisch geputzt und glänzten so, dass man sich darin spiegeln konnte. Ein anthrazitfarbener Dreispitz mit goldener Borte saß auf seinen braunen Locken, und um den Hals trug der Zar einen vergoldeten Schildkragen mit dem kaiserlichen Wappen. Dennoch wirkte seine Kleidung noch schlicht gegen die Pracht, in der sein Freund Menschikow auftrat.
    Der Feldmarschall prunkte in einem vorne offenen Kamisol aus goldbestickter Seide über einem silbernen Kürass und einem ebenso reich verzierten roten Rock, gleichfarbenen Kniehosen und Schnallenschuhen. Obwohl auch er das Band des Andreasordens und die in goldenen Quasten auslaufende Schärpe in den russischen Farben umgelegt hatte, hätte ein uneingeweihter Beobachter ihn für einen Lebemann an einem königlichen Hof gehalten und nicht für einen hochrangigen Heerführer, denn bei diesem erwartete man keine wallende Allongeperücke und einen mit Goldborten und Straußenfedern verzierten Dreispitz. Auch die anderen Kommandeure des russischen Heeres waren in Galauniform erschienen, doch Menschikow überstrahlte sie alle, und das genoss er sichtlich.
    Der Zar betrachtete ihn mit langmütiger Nachsicht und befahl,Wodka zu bringen. Während er trank, streifte sein Blick Sergej, und er zog die Stirn kraus. Die Person jedoch, die ihn über das Erscheinen des jungen Hauptmanns hätte aufklären können, fehlte noch.
    »Weiß der Teufel, wo Jekaterina bleibt«, sagte er mürrisch zu Menschikow.
    Der Fürst kratzte sich unter seiner Perücke und verzog das Gesicht. »Ich frage mich auch, warum sie dich warten lässt, schließlich ist sie es gewesen, die uns eingeladen hat. Die meisten sind nicht sonderlich glücklich über dieses Fest, denn sie sind der Ansicht, wir sollten erst dann feiern, wenn wir die Schweden geschlagen haben.«
    Der Zar blies den Atem grimmig durch die Nase. »Es war ihre Idee! Sie meinte, es würde die Moral der Offiziere stärken. Doch wenn sie nicht bald erscheint, werde ich sie holen lassen, und wenn sie noch in Morgenrock und Frisiermantel steckt.«
    Menschikow lachte über diese Vorstellung und hoffte gleichzeitig, dass Jekaterina vernünftig genug war, es so weit nicht kommen zu lassen. Wenn es etwas gab, das noch schlimmer war als der Zar in festlicher Laune, so war es ein verärgerter Zar, und jetzt, wo die endgültige Entscheidung zwischen dem schwedischen Heer und dem Russischen Reich bevorstand, konnte ein Streit zwischen Pjotr Alexejewitsch und seiner Geliebten dem ganzen Land schaden. Während Menschikow noch überlegte, wie er sich der Aufmerksamkeit des Zaren entziehen und einen Boten zu Jekaterina schicken konnte, um sie zu warnen, stimmten die Spielleute einen Tusch an.
    Jekaterina erschien in einem Traum aus blauem Samt, der ihre schlanke Figur mit den vollen Brüsten vollendet zur Schau stellte. Ihr Haar war unter einer weißblonden Perücke versteckt, und sie hielt einen Fächer aus Elfenbein in der Hand. Am

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