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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Alexejewna Naryschkina, auch bekannt als Bahadur Bahadurow, Fähnrich des Zaren.«
    Ein Blitzschlag hätte keine größere Wirkung haben können als diese Worte. Der Zar stand mit offenem Mund, als wäre er in eine Salzsäule verwandelt, während Menschikow einen Fluch ausstieß, der zu einem Rossknecht, aber nicht zu einem Edelmann des Russischen Reiches passte. Dann trat der Zar dicht vor Schirin und starrte auf die beiden kleinen, aber wohlgeformten Hügelchen, die von dem Ausschnitt ausgezeichnet in Szene gesetzt wurden. Kurz entschlossen griff er mit der rechten Hand zwischen die Brüste und tastete beide ab.
    »Wenn das eines deiner Spielchen ist!«, knurrte er Jekaterina drohend an. Seine Geliebte lachte nur auf, denn sie musste Schirins Hände festhalten. Das Mädchen machte nämlich in dem Moment, in dem es die Hände des Zaren unter ihrem Kleid fühlte, Miene, zuzuschlagen oder dem Mann vor ihr das Gesicht zu zerkratzen.
    Der Blick des Zaren wurde ratlos, als seine tastenden Finger genau das fühlten, was ihm seine Augen zeigten, nämlich den zierlichen Busen eines jungen Mädchens. Fast erschrocken zog er die Hand zurück, und er kaute ein paarmal, da ihm die Sprache wegblieb. Jekaterina ließ Schirin los und strich ihr beruhigend über die honigblonden Haare.
    Schirin wollte sie abwehren, denn sie fühlte sich gekränkt und beschmutzt, doch im gleichen Moment erblickte sie einen Mann, der sie ihre eigene Situation vergessen ließ. Es handelte sich um einen jungen Offizier in der prachtvollen Galauniform eines Leutnants der Preobraschensker Garde, der gerade das Zelt betrat. Da alle Anwesenden auf Schirin und den Zaren starrten, achtete sonst niemandauf den Neuankömmling, der Pjotr Alexejewitsch mit einem flammenden Blick musterte, während seine Hand unter den Uniformrock fuhr und nach einem länglichen Gegenstand tastete.
    Es war Schischkin, und Schirin war klar, dass er jeden Augenblick seine Pistole ziehen und auf den Zaren schießen würde. Selbst wenn sie jetzt gellend aufschrie, würde sie den Zaren nicht mehr retten können, und sie verfluchte sich, weil sie aus Trotz geschwiegen hatte. Da stach ihr der Kolben einer Pistole ins Auge, die im Gürtel eines Offiziers stak, der sich herangedrängt hatte, um sie näher zu betrachten. Mit einem schnellen Schritt war sie bei ihm, riss die Waffe heraus und schlug sie auf Schischkin an. Da dieser von ihr aus gesehen nur wenig seitlich hinter dem Zaren stand, sah es für alle so aus, als würde sie auf Pjotr Alexejewitsch zielen.
    Schirin konnte nur hoffen, dass Pulver auf der Pfanne lag, als sie den Stecher durchzog. Ein Schuss peitschte auf, doch da jetzt auch Schischkin seine Pistole in der Hand hielt, wusste sie für einen sich endlos dehnenden Augenblick nicht, welche Waffe losgegangen war. Dann aber fühlte sie den Schlag des Rückstoßes, und vom Lauf ihrer Pistole stieg Rauch auf.
    Gleichzeitig wirkte Schischkin, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Er öffnete den Mund, ohne mehr als ein ersticktes Gurgeln herauszubringen, und starrte auf das Loch in seiner Brust, aus dem Blut quoll. Noch einmal versuchte er die Waffe zu heben, doch sie entglitt seiner Hand, fiel zu Boden und ging beim Aufprall los. Ein Offizier schrie erschrocken auf, als die Kugel durch seinen Dreispitz fuhr, und begriff erst, als er seinen Kopf abgetastet hatte, dass er gar nicht getroffen worden war.
    Einige Gardisten hatten Schirins Handlung falsch aufgefasst und auf sie angelegt. Doch als sich ihre Finger um die Stecher krümmten, hob der Zar gebieterisch die Hand. »Halt! Nicht schießen.« Sein rechtes Augenlid und die Wange zuckten, als er sich umdrehte und auf Schischkin zuging. Der Leutnant brach in die Knie und versuchte,eine letzte Verwünschung auszustoßen, doch da versagte ihm sein Herz den Dienst, und er sackte haltlos zusammen.
    Für einen Augenblick war es so still, dass man das erregte Atmen des Zaren im ganzen Zelt vernehmen konnte. Aller Augen aber waren auf Schirin gerichtet, die die abgefeuerte Pistole fallen ließ, als wäre sie glühend heiß geworden. Ihr Gesicht war bleich, und die Kiefermuskeln waren so angespannt, dass es ihr nicht gelang, den Mund zu öffnen und die Schreie auszustoßen, die aus ihrer Kehle brechen wollten.
    Der Zar kehrte zu ihr zurück und klopfte ihr auf die Schulter. »Wer ist dieser Mensch?«
    Sergej, der dem Ganzen ungläubig gefolgt war und jetzt noch nicht glauben wollte, was seine Augen ihm zeigten, löste sich von seinem

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