Die Tatarin
und den anderen Männern an, die nun ebenfalls aus den Bottichen stiegen, und musste zugeben, dass der junge Hauptmann ihr besser gefiel als jeder andere. Verärgert über sich selbst drehte sie sich von Sergej weg und sah Ilgur nicht weit von sich auf einen anderen einreden. Dabei schob er sein Becken aufreizend nach vorn. Schirin verzog spöttisch die Lippen, denn sein kalmückischer Sklave Bödr wies einiges mehr zwischen den Beinen auf, wenn auch dieser sich nicht mit Sergej messen konnte.
Sofort schämte Schirin sich ihrer Gedanken, die sich mit solch unreinenDingen beschäftigten, und wollte zur Tür gehen. Dabei kam sie an Wanja vorbei, der den Anstand gehabt hatte, sich ein Tuch um die Hüften zu schlingen, und grinste ihn so männlich wie möglich an. »Wo gibt es hier etwas zu essen? Ich habe Hunger.«
»Ich auch!« Ostap hüpfte an ihre Seite, während er mit einem Hosenbein kämpfte, das einfach nicht über sein linkes Bein gleiten wollte. Schirin half ihm und reichte ihm auch sein Hemd.
Wanja sah den Hauptmann fragend an. »Eigentlich wollten wir vor dem Essen ja noch ins Schwitzbad, Sergej Wassiljewitsch.«
Sergej schob das Kinn vor. »Richtig! Unsere tatarischen Freunde werden so lange warten müssen.«
Schirin lag schon auf der Zunge, dass sie nicht sein Freund sei, doch sie schluckte die Bemerkung rasch hinunter und zwang sich, ihn freundlich anzusehen. »Vielleicht wäre es möglich, ein Stück Brot zu bekommen, bis ihr mit dem Baden fertig seid?«
Sergej nickte und winkte dann einen der Knechte herbei. »Bring einen Laib Brot und eine Flasche Wodka.«
»Wodka ist gut, der treibt den Schweiß so richtig aus den Poren«, stimmte Wanja ihm lachend zu. Der Knecht nickte und verschwand. Ein paar Minuten später kehrte er mit einem Laib Brot und mehreren Wodkaflaschen in den Armen zurück. Sergej nahm ihm eine davon aus der Hand, entkorkte sie und trank einen Schluck, bevor er sie an Wanja weiterreichte. Sofort bildete sich eine Menschentraube um die beiden. Sogar Ostap kämpfte um einen Schluck, während Schirin mit einer verächtlichen Geste zurücktrat und dem Knecht das Brot aus der Hand nahm. Der Laib war so groß, dass sie ihn mit einem Arm umklammern musste, und unterschied sich auch im Geruch stark von den Fladen, welche die Frauen ihres Stammes auf heißen Steinen zubereiteten. Brot dieser Art hatte sie schon unterwegs gegessen, und es schmeckte ihr so gut, dass sie nicht wissen wollte, ob außer Mehl und Wasser nicht auch noch Schweineschmalz verbacken worden war. Sie riss ein Stück ab, steckte es in den Mund und begann langsam zu kauen.
Sergej schien mit einem Mal seine Meinung geändert zu haben, denn er zog sich an und winkte Wanja zu sich. »Bahadur hat Recht! Wir sollten jetzt essen. Es ist schon spät, und wer weiß, ob der Ofen in der Küche noch lange beheizt wird.«
»Wie Ihr meint, Väterchen Hauptmann.« Wanja bemühte sich nicht, seine Enttäuschung zu verbergen. Seiner Meinung nach ging nichts über ein richtiges Schwitzbad, um die Anstrengungen einer langen Reise aus den Knochen zu vertreiben. Sergejs Befehl war jedoch Gesetz, und so trieb er die Geiseln mit harschen Worten an, sich zu beeilen und mit ihnen zu kommen.
III.
Nichts von dem, was Schirin und die anderen Geiseln von ihrer Ankunft in Moskau erwartet oder befürchtet hatten, ging in Erfüllung. Sie wurden in dem Raum eingesperrt, in dem ihre Betten standen, und durften ihn nur zweimal am Tag verlassen, um sich auf dem gepflasterten Vorplatz die Beine zu vertreten. Zu Schirins Erleichterung erlaubte man ihnen, während der beiden Stunden an der frischen Luft die Latrinen der Kaserne zu benutzen. Gewohnt, ihre körperlichen Bedürfnisse in der Steppe zu erledigen, wo der Wind Gerüche sofort hinwegtrug, verschlug es ihr in diesem Gemäuer den Atem, aber sie konnte wenigstens unbeobachtet die Hosen herunterlassen. Sie musste allerdings Acht geben, denn nur der Teil, der für die Offiziere bestimmt war, besaß eine Tür. Dafür stank es dort noch schlimmer, und diesen Ort benutzen zu müssen erschien Schirin als Strafe Allahs, die sie mit ihrer Anmaßung, einen Mann darstellen zu wollen, verdient hatte.
Das hilflose Warten auf das, was mit ihnen geschehen mochte, kratzte an den Nerven der Geiseln, und doch blieben sie erstaunlich ruhig, beinahe wie gelähmt. Selbst Ilgur, den sonst jede Mücke an der Wand gestört hatte, begnügte sich damit, seine Herrschaft über die Gruppe mit Worten zu behaupten. Schirin war
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