Die Tatarin
nach dem anderen vergewaltigen, wobei Tarlow als Hauptmann gewiss den Anfang machte.
Bevor das geschah, musste sie ihrem Leben mit eigener Hand ein Ende setzen. Ihre Rechte tastete unwillkürlich nach dem Dolchgriff, fand aber nur die leere Scheide, und sie spürte, wie graue Verzweiflung ihr Inneres überschwemmte. Sie knirschte mit den Zähnen, straffte ihren Rücken und schob dieses Gefühl weit von sich. Zwar kam sie selbst mit leeren Händen, aber da die Russen ihre Waffen immer in der Nähe behielten, würde es in dem Badehaus genug Klingen geben. Sie musste nur zusehen, schnell genug einen Dolch oder einen Säbel in die Hand zu bekommen. Vielleicht blieb ihr sogar noch der Triumph, Tarlow getötet zu haben, bevor sie ihrem eigenen Leben ein Ende setzte.
Als der Soldat die Tür zum Badehaus öffnete, quoll ihnen klebriger Dampf entgegen, und Schirin hörte Männer lachen. Einer spottete über die körperlichen Mängel eines anderen und wurde mit einem wüsten Fluch bedacht. Man konnte kaum die Hand vor Augen sehen, und so blieb sie zögernd stehen. Der Soldat schob sie kurzerhand in den Raum, so dass sie gegen ein großes Holzschaff stieß, dessen Rand ganz plötzlich vor ihr auftauchte, und schloss hinter ihr die Tür.
Im gleichen Moment schälte sich Ostaps Gesicht aus dem Dampf und lächelte sie fröhlich an. »Komm rein, Bahadur! Das Wasser ist herrlich warm und tut gut nach so einem langen Ritt.«
Damit hatte er die anderen auf sie aufmerksam gemacht. Schirin klopfte das Herz vor Aufregung in der Kehle, und sie kam sich vor wie ein Saigakalb, das sich in ein Rudel Wölfe verirrt hatte. Irgendwo klang Wanjas Dobrowitschs Stimme auf. »Ja, komm ins Wasser, und wasch dir das Ungeziefer aus dem Pelz, Tatar!«
»Ich habe kein Ungeziefer! Ich bin doch kein Russe«, fauchte sie.
»Ein Bad hat noch keinem geschadet. Also zieh dich aus, und steig in die Wanne!« Sergejs Stimme hörte sich an, als wolle er Bahadur persönlich entkleiden und in den Bottich werfen.
Schirin versuchte, sich zu orientieren, doch in dem dampferfüllten Raum konnte sie weder die Männer noch ihre Waffen ausmachen. Gleichzeitig begriff sie, dass die anderen kaum mehr von ihr wahrnahmen als eine schemenhafte Bewegung. Schnell schlüpfte sie aus ihrer Kleidung, hängte ihre Sachen auf einen Haken, den sie in der Nähe der Tür ertastete, und stieg neben Ostap in die Wanne. Dabei achtete sie sorgfältig darauf, ihm und den anderen den Rücken zuzuwenden, und ließ sich so schnell ins Wasser gleiten, dass sie ausrutschte und mit dem Kopf untertauchte. Hustend kam sie an die Oberfläche und verschränkte die Arme vor der Brust, um ihre winzigen Hügelchen vor fremden Blicken zu verbergen. Zu ihrem Schrecken wurde die Sicht jetzt besser, so dass sie die Gesichter der übrigen Männer in diesem Bottich erkennen konnte.
Die hölzerne Wanne war groß genug, ein Dutzend Leute aufzunehmen, aber außer Wanja, Ostap und zwei anderen Geiseln saßen nur noch Ilgur und Sergej Tarlow darin. Den Sohn des Emirs von Ajsary fürchtete sie aus einem Gefühl des Misstrauens heraus, während ihr Verstand sie vor dem Hauptmann warnte. Der Russe sah zwar immer noch so harmlos aus wie ein zu groß geratenes Kind, aber sie zwang sich, daran zu denken, dass es ausgerechnet ihm gelungen war, ihren Vater zu besiegen und gefangen zu nehmen.
»Hier ist Seife. Damit kannst du den Dreck abwaschen.« Sergej warf ihr einen dunklen Gegenstand zu. Schirin fing ihn unwillkürlichauf, konnte das glitschige Ding aber nicht festhalten und sah es im Wasser versinken.
Die anderen im Schaff lachten, während Ostap wie ein Fischotter tauchte und mit dem Seifenstück in der Hand wieder zum Vorschein kam. »Hier nimm, Bahadur! Pass aber auf, das Zeug brennt elend in den Augen.«
Schirin kannte die Seife, die die Frauen ihres Stammes aus Ziegentalg und Asche von bestimmten Kräutern bereiteten, und benutzte das faustgroße Stück wie gewohnt. Im Gegensatz zu der heimischen war diese Seife unangenehm rau und biss ihr in die Haut, dafür schäumte sie viel stärker, und das machte sie sich zunutze.
Ostap blickte beinahe neidisch auf den vielen Schaum, der seinen Freund einhüllte. »Komm, ich wasche dir den Rücken!«
Es behagte Schirin nicht, sich von einem anderen berühren zu lassen, aber sie durfte nicht durch übertriebene Schamhaftigkeit auffallen. Daher reichte sie dem Jungen die Seife und drehte sich mit dem Gesicht zum Wannenrand. Zu ihrer Erleichterung begnügte Ostap
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