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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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erheiterte sie und entschädigte sie ein wenig für die vielen unangenehmen Erlebnisse ihrer Gefangenschaft. Schwankend stieg der russische Thronfolger aus dem Wagen, streckte abwehrend die Arme aus und weigerte sich mit kreischender Stimme, auf den Prahm zu steigen, der seinen Worten nach von seinem Vater gesandt worden war, um ihn zu ersäufen.
    Sein Beichtvater nahm ihn beim Arm und versuchte, ihn sanft auf das Boot zu ziehen. »Eure Hoheit, bitte kommt! Ich bin ja bei Euch. Eurer Vater wird Euch gewiss zürnen, wenn Ihr nicht zu ihm geht, und Euch an einen Ort schicken, gegen den sogar dieses Sankt Peterburg dem Paradies gleicht!«
    »Warum muss mein Vater an einem so elenden Ort eine Stadt erbauen? Wenn ich einmal Zar bin, lasse ich sie Stein um Stein abreißen und in der Newa versenken!« Die Stimme des Zarewitschs klang mit einem Mal klarer und so durchdringend, dass ihn jeder verstehen konnte.
    Ignatjew wand sich wie ein getretener Wurm. »Sagt das bitte nicht noch einmal, Hoheit! Ich wage mir gar nicht vorzustellen, welche Strafe Euch erwartet, wenn Eurem Vater diese Worte hinterbracht werden. Für ihn ist Sankt Petersburg so eine Art Heiligtum.«
    »Daran sieht man, dass Pjotr Alexejewitsch Romanow der Antichrist ist, denn nur der Teufel kann sich in einem solchen Schlammloch wohl fühlen«, entfuhr es Kirilin halblaut.
    Sergej beschloss, die Worte des Gardehauptmanns als Witz aufzufassen. »Für die Hölle erscheint dieser Ort mir aber viel zu kalt!«
    Kirilin warf ihm einen vernichtenden Blick zu und eilte nach vorne, um dem zaudernden Zarewitsch auf die Fähre zu helfen. In besserem Zustand hätte der Prahm dreißig Leute tragen können, doch nun bestand schon bei der Hälfte die Gefahr, dass er umschlug und versank, und die Ruderer, die ihn antrieben, wirkten auch nicht gerade kräftig und gut genährt. Daher vergingen einige Stunden, bis die engere Begleitung des Zarewitschs, die mit den Gardisten an die einhundertfünfzig Mann zählte, übergesetzt worden war. Sergej, seine Dragoner und die Geiseln konnten nichts anderes tun, als herumzustehen und zu warten, denn es gab auf dieser Seite des Flusses kein Gasthaus oder sonst irgendeine Unterkunft. Irgendwann vertrieb der Wind den Nebel über dem Land, aber er blies von Norden und brachte eisige Kälte mit.
    Als es dunkelte, rief Wanja einen Jungen an, der neugierig näher gekommen war, um die eigenartig gekleideten Leute bei den Soldaten zu betrachten. »He Söhnchen, weißt du, wo man hier eine schöne, große Flasche Wodka bekommen kann?«
    Der Bursche schlenderte grinsend auf den Wachtmeister zu. »Wir haben Wodka im Haus, Herr! Für ein paar Kopeken …« Er strecktedem Wachtmeister die Hand hin. Wanja zählte einige Münzen hinein, bis der Junge zufrieden nickte und zwischen den Büschen verschwand.
    Sergej bedachte seinen alten Gefährten mit einem Kopfschütteln. »War das nicht ein wenig voreilig, mein Guter? Wenn du Pech hast, steckt der Bursche dein Geld ein und lässt sich nicht mehr blicken.«
    »Das soll er wagen!«, brach es aus Wanja heraus, aber er sah dann ein, dass er kaum eine Chance hatte, den Jungen zu finden. Er wurde jedoch nicht enttäuscht, denn der Bursche kehrte mit einem bauchigen Krug und einem Tonbecher zurück und schenkte gekonnt ein. Der Wachtmeister schnupperte ein wenig misstrauisch, setzte den Becher an die Lippen und trank ihn in einem Zug leer. Einen Augenblick später schüttelte ein Hustenanfall seinen massigen Körper.
    »Beim Teufel, ist das ein scharfes Zeug! Das weckt einen Toten noch zwei Tage nach seiner Beerdigung auf. Wollt Ihr auch einen Schluck, Sergej Wassiljewitsch?«
    Sergej roch kurz an dem Krug und schüttelte den Kopf. »Nein! Der zieht mir die Stiefel früher aus, als ich es brauchen kann. So ein Teufelszeug haben selbst die Kosaken in Sibirien nicht gebrannt.«
    »Also, ich hätte Euch für mutiger gehalten, Hauptmann!« Wanja schenkte sich noch ein weiteres Mal ein, trank aus und reichte Krug und Becher an den nächsten Dragoner weiter. Die Soldaten verspürten weniger Hemmungen als Sergej und ließen es sich schmecken. Obwohl jeder sich zweimal bediente, blieb noch ein hübscher Rest für die Geiseln übrig. Ilgur und seine Freunde griffen als Erste zu und gaben den Krug erst weiter, als nur noch ein kleiner Rest am Boden schwappte. Um nicht mit den Letzten teilen zu müssen, packte eine Geisel den Krug, setzte ihn an die Lippen und nahm einen großen Schluck. Für einen Augenblick stand er

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