Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
dieser dreieckigen Senke zwischen zwei Bergkämmen und dem Kahlen Gipfel darüber. Ich vermute, dass die Anlage, die Enomotos Vorfahre laut der Erzählung des Amuletthändlers einforderte, ursprünglich eine Burg war, die noch aus der Zeit der Streitenden Reiche stammte - siehst du die Wehrmauern und den ausgetrockneten Festungsgraben? Du bräuchtest zwanzig Männer und einen Rammbock, um durch die Tore zu gelangen. Aber sei guten Mutes: Jede Mauer ist nur so stark wie die Männer, die sie verteidigen, und mit einem Enterhaken könnte sogar ein Kind problemlos dort einsteigen. Außerdem besteht keine Gefahr, dass wir uns verlaufen, sobald wir drinnen sind. Das ...», Shuzai deutet mit dem schwieligen Finger des Bogenschützen auf die Zeichnung, «... ist das Haus der Schwestern.»
Uzaemon kann seine Ungeduld nicht länger bezähmen: «Hast du sie gesehen?»
Shuzai schüttelt den Kopf. «Ich war zu weit weg. Das restliche Tageslicht habe ich genutzt, einen Abstieg vom Kahlen Gipfel zu suchen, der nicht durch die Mekura-Klamm führt, aber es gibt keinen: Im Nordosten, hinter diesem Bergrücken hier, verbirgt sich eine steile, über hundert Meter tiefe Felswand, und im Nordwesten ist der Berg so dicht bewaldet, dass man mindestens vier Arme bräuchte, um sich durchzuschlagen. Als die Dämmerung anbrach, begann ich den Abstieg in die Schlucht und erreichte bei Mondaufgang das Tor auf halber Strecke. Über einen Felsvorsprung kletterte ich auf den Weg darunter, kam zum Eingang der Mekura-Klamm, ging hinter Kurozane über Reisfelder und fand an der Straße nach Isahaya ein Fischerboot, unter dem ich mich schlafen legte. Meine Kleidung war feucht, und ich fror, aber ich machte kein Feuer, denn ich wollte keine Zeugen anlocken. Am folgenden Abend erreichte ich Nagasaki und ließ drei Tage verstreichen, bis ich mich bei dir meldete, damit niemand eine Verbindung zwischen meiner Abwesenheit und deinem Besuch herstellen konnte. Wir sollten davon ausgehen, dass dein Diener in Enomotos Sold steht.»
«Yohei ist mein Diener, seit die Ogawas mich adoptiert haben.»
«Gibt es einen besseren Spitzel», Shuzai zuckt die Achseln, «als einen, der über jeden Verdacht erhaben ist?»
Uzaemons Halsschmerzen werden mit jeder Minute schlimmer. «Hast du triftige Gründe, an Yohei zu zweifeln?»
«Keineswegs, aber jeder Daimyō unterhält in den Nachbarlehen Spitzel, und diese treffen Abmachungen mit den Dienern einflussreicher Familien. Dein Vater ist einer von nur vier Dolmetschern ersten Ranges auf Dejima: Die Ogawas sind also alles andere als bedeutungslos. Wer die Favoritin eines Daimyö verschwinden lassen möchte, begibt sich in eine gefährliche Welt, Uzaemon. Wenn du überleben willst, musst du Yohei, deinen Freunden und jedem Fremden misstrauen. Die Frage lautet: Bist du trotzdem weiterhin entschlossen, Orito zu befreien?»
«Mehr denn je, aber ...», Uzaemon blickt auf die Zeichnung, «... ist das überhaupt möglich?»
«Ja: Mit sorgfältiger Planung und genügend Geld, um die richtigen Leute anwerben zu können.»
«Wie viel Geld und wie viele Leute?»
«Weniger, als du glaubst, das ist die gute Nachricht. Die fünfzig Koku Reis, von denen die Muschelsammlerinnen sprachen, klingen entmutigend, aber ein Großteil wird von Enomotos Gefolge verzehrt. Und noch etwas: Hier ...», Shuzai zeigt rechts unten in die Ecke, «... liegt der Speiseraum, und als er sich nach dem Essen leerte, zählte ich nur dreiunddreißig Köpfe. Die Frauen können wir abziehen, und die Meister haben ihre besten Jahre hinter sich, sodass höchstens zwei Dutzend junge gesunde Novizen übrig bleiben. In chinesischen Legenden mögen Mönche mit bloßen Händen Steine zertrümmern, aber die Grünschnäbel auf dem Shiranui sind eher von zerbrechlicher Natur. Im Schrein gibt es keinen Bogenschießstand, keine Kaserne für Laiensoldaten, und nichts deutet darauf hin, dass dort Kampfübungen durchgeführt werden. Fünf erstklassige Schwertkämpfer würden meiner Ansicht nach genügen, um Aibagawa-san zu befreien. Mein Grundsatz, doppelt sicherzugehen, erfordert zehn Schwerter, zusätzlich zu uns beiden.»
«Was ist, wenn Fürst Enomoto und seine Leute auftauchen, bevor wir angreifen?»
«Dann verschieben wir unseren Vorstoß, verteilen uns und tauchen in Saga unter, bis die Luft rein ist.»
Der Rauch des flackernden Feuers schmeckt bitter und salzig.
Shuzai schneidet ein heikles Thema an. «Eines hast du sicher bedacht: Wenn du mit Aibagawa-san nach
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