Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
Meister Suzaku vor.
Die Glocke könnte eine List sein , denkt sie, um dich zurückzulocken.
Tief unter ihr glitzert das Ariake-Meer sanft im Mondlicht.
Was heute eine List ist, wird morgen Abend oder sehr bald die Wahrheit sein ...
«Orito Aibagawas Freiheit», sagt Orito laut, «ist wichtiger als das Leben Yayois und ihrer Zwillinge.» Sie überprüft die Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt.
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XXII
Shuzais Wohnung in seinem Dōjō in Nagasaki
Nachmittag des dreizehnten Tages des ersten Monats
«Ich brach in aller Frühe auf», berichtet Shuzai. «Auf dem Marktplatz zündete ich bei Jizo-samas Statue eine Kerze an, um mich gegen unliebsame Zwischenfälle zu versichern, und schon bald war ich für diese Vorsichtsmaßnahme dankbar. An der Omagori-Brücke traf ich auf die ersten Schwierigkeiten. Ein berittener Hauptmann der Shōgun-Garde versperrte mir den Weg: Er hatte das Schwert unter meinem Strohumhang entdeckt und wollte sich vergewissern, dass meine Stellung mir gestattete, es zu tragen. ‹Das Glück ist nicht mit dem, der fremde Kleider trägt›, und so nannte ich ihm meinen wahren Namen. Das war meine Rettung. Er stieg vom Pferd, nahm den Helm ab und nannte mich ‹Sensei›: In meiner Anfangszeit in Nagasaki hatte ich einen seiner Söhne unterrichtet. Wir unterhielten uns ein wenig, und ich erzählte ihm, ich sei auf dem Weg nach Saga, um dort an der Zeremonie anlässlich des siebten Todestages meines alten Meisters teilzunehmen. Es sei ungehörig, fügte ich hinzu, auf einer solchen Pilgerreise Diener dabeizuhaben. Der Hauptmann war beschämt über meinen Versuch, meine Armut zu verbergen, und er wünschte mir eine gute Reise und ritt weiter.
Vier Schüler üben in der Halle ihre besten Kendō-Schreie.
Ein Kratzen in Uzaemons Hals kündigt eine Erkältung an.
«Von der Austernbucht - ein Misthaufen aus Fischerhütten, Austernschalen und morschen Tauen - wanderte ich Richtung Norden nach Isahaya. Du kennst das hügelige Tiefland in der Gegend, und an einem tristen Nachmittag im ersten Monat ist die Strecke scheußlich. Als ich zu einer Biegung kam, traten plötzlich hinter einer verrammelten Teehütte vier Lastenträger vor - eine so misstrauische Horde wilder Hunde hast du noch nicht gesehen! Jeder war mit einem dicken Knüppel bewaffnet. Ein unglücklicher, einsamer, hilfloser Wanderer wie ich sei ein willkommenes Opfer für Räuber, sagten sie und drängten mich, sie als Begleiter anzuheuern, damit ich sicher nach Isahaya käme. Ich zog das Schwert und versicherte ihnen, dass ich keineswegs so unglücklich, einsam und hilflos sei, wie sie vermuteten. Meine furchtlosen Retter liefen davon, und ich erreichte Isahaya ohne weitere Zwischenfälle. Ich mied die großen, auffälligen Herbergen und fand Unterkunft auf dem Dachboden eines redseligen Teerösters. Der einzige andere Gast war ein fahrender Händler, dessen Glücksbringer und Amulette angeblich von heiligen Stätten bis hinauf ins ferne Ezo stammten.
Uzaemon niest in ein Stück Papier und wirft es ins Feuer.
Shuzai hängt den Kessel dicht über die Flammen. «Ich horchte den Wirt über das Lehen Kyōga aus. ‹Zweihundert Quadratkilometer Gebirge ohne eine Stadt, die den Namen verdient hätte›, ausgenommen Kashima. Der Fürstabt kassiert von den Tempeln einen Anteil und treibt in den Küstendörfern Reis und Steuern ein, aber seine wahre Macht sind seine Verbündeten in Edo und Miyako. Er fühlt sich so sicher, dass er sich nur zwei Divisionen Wachsoldaten hält: Eine wahrt den Schein, wenn er und sein Gefolge auf Reisen sind, die andere ist in Kashima stationiert, um Unruhen niederzuschlagen. Der Amuletthändler beklagte sich, er habe einmal den Schrein auf dem Shiranui besuchen wollen. Nachdem er viele Stunden lang eine Schlucht namens Mekura-Klamm hinaufgestiegen war, musste er an einem Torhaus auf halber Strecke umkehren. Drei kräftige Dorfstrolche erklärten ihm, dass Glücksbringer im Schrein nicht erwünscht seien. Es sei äußerst selten, sagte ich, dass ein Schrein zahlende Pilger abweise. Der Händler stimmte zu und erzählte folgende Geschichte aus der Kan’ei-Zeit: Damals fiel auf ganz Kyushu drei Jahre in Folge die Ernte aus. In fernen Städten wie Hirado, Hakata und Nagasaki kam es zu Unruhen und Hungersnöten. Der Hunger, erklärte der Händler, sei Auslöser für den Shimabara-Aufstand gewesen, bei dem die erste Armee des Shōguns von den rebellierenden Bauern zurückgetrieben wurde. Nach dieser demütigenden
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