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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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denken.»
    Vom Geschichtenerzählen erschöpft, richtet de Zoet die Antwort auf Niederländisch an Iwase.
    «Faktor de Zoet», übersetzt Iwase, «glaubt, die Engländer wollen seine Landsleute einschüchtern.»
    «Was halten seine Landsleute von dem englischen Angebot?»
    De Zoet beantwortet die Frage direkt: «Wir befinden uns im Krieg, Exzellenz. Die Engländer werden ihre Versprechen zweifelsohne brechen. Niemand von uns möchte mit ihnen Zusammenarbeiten, bis auf einen ...», sein Blick wandert zu dem Flur, der zum Saal der Sechzig Matten führt, «... der inzwischen in ihren Diensten steht.»
    «Sind Sie denn nicht dazu verpflichtet», fragt Shiroyama, «sich Fischer zu fügen?»
    Kawasemis Kätzchen jagt auf der blankpolierten Veranda eine Libelle.
    Einer der Diener blickt zu seinem Herrn hinüber, aber der schüttelt den Kopf: Lass sie spielen ...
    De Zoet denkt über seine Antwort nach. «Ein Mensch hat verschiedene Pflichten, und ...»
    Er ringt mit der Sprache und ist auf Iwases Hilfe angewiesen. «Herr de Zoet sagt, Exzellenz, seinen Vorgesetzten zu gehorchen, sei seine dritte Pflicht. Seine zweite Pflicht sei, seine Fahne zu schützen. Seine oberste Pflicht aber sei, seinem Gewissen zu folgen, denn dieses habe Gott - der Gott, an den er glaubt - ihm geschenkt.»
    Fremdländische Ehrbegriffe, denkt Shiroyama und weist die Schreiber an, die Bemerkung auszulassen. «Weiß Stellvertreter Fischer von Ihrer Gegnerschaft?»
    Ein feuerrotes gefingertes Ahornblatt weht herein und landet neben dem Statthalter.
    «Stellvertreter Fischer sieht nur, was er sehen möchte, Exzellenz.»
    «Hat Faktor van Cleef Ihnen irgendwelche Weisungen übermittelt?»
    «Wir haben nichts von ihm gehört und ziehen daraus die naheliegenden Schlüsse.»
    Shiroyama vergleicht die Blattadern mit den Adern seiner Hände. «Gesetzt den Fall, wir wollten die Fregatte daran hindern, die Bucht von Nagasaki zu verlassen - zu welcher Strategie würden Sie raten?»
    De Zoet ist über diese Frage überrascht, aber er gibt Iwase eine wohlüberlegte Antwort. «Faktor de Zoet schlägt zwei Strategien vor: Irreführung oder Gewalt. Irreführung hieße, die Verhandlungen über den nicht gewollten Vertrag in die Länge zu ziehen. Der Vorteil dieser Taktik wäre, dass kein Blut vergossen würde. Der Nachteil wäre, dass die Engländer auf eine Entscheidung drängen würden, um den Winter im Nordpazifik zu umgehen, und dass sie diese Strategie bereits aus Indien und Sumatra kennen.»
    «Dann also Gewalt», sagt Shiroyama. «Wie lässt sich ohne eigene Fregatte eine fremde Fregatte aufbringen?»
    De Zoet fragt: «Über wie viele Soldaten verfügen Exzellenz?»
    Der Statthalter gebietet den Schreibern einzuhalten. Dann schickt er sie hinaus. «Einhundert», vertraut er de Zoet an. «Morgen vierhundert, in Kürze werden es tausend sein.»
    De Zoet nickt. «Wie viele Boote?»
    «Acht Wachtboote», sagt Tomine, «die vor dem Hafen und an der Küste patrouillieren.»
    Ob es dem Statthalter möglich sei, die Fischerboote und Transportschiffe im Hafen sowie im Umkreis der Bucht zu beschlagnahmen, erkundigt sich de Zoet.
    «Der Vertreter des Shōguns», sagt Shiroyama, «kann alles beschlagnahmen.»
    De Zoet gibt seine Beurteilung ab, und Iwase übersetzt: «Der amtierende Faktor ist der Meinung, dass eintausend gut ausgebildete Samurai den Feind leicht bezwingen können, sowohl an Land als auch auf der Fregatte. Sie dorthin zu befördern, stelle uns hingegen vor nicht zu überwindende Schwierigkeiten. Bevor die Flottille nah genug an der Fregatte wäre, dass die Schwertkämpfer an Bord gehen könnten, hätte deren Artillerie sie längst vernichtet. Die Seesoldaten der Phoebus verfügen zudem über die neuesten» - Iwase verwendet das niederländische Wort für «Schusswaffen» - «Musketen, aber mit dreifacher Schusskraft und deutlich schneller nachzuladen.»
    «Dann ist es also aussichtslos» - Shiroyama hat das Ahornblatt zerpflückt -, «das Schiff gewaltsam festzuhalten?»
    «Das Schiff lässt sich nicht aufbringen», sagt de Zoet, «aber wir können die Bucht abriegeln.»
    Shiroyama wirft Iwase einen fragenden Blick zu, weil er annimmt, der Niederländer habe sich falsch ausgedrückt, aber de Zoet spricht ausführlich mit seinem Dolmetscher. Mehrmals deutet er mit den Händen eine Kette an, eine Mauer sowie Pfeil und Bogen. Iwase fragt bei einigen Begriffen nach und wendet sich dann an den Statthalter. «Exzellenz, der amtierende Faktor schlägt etwas vor,

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