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Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Die tausend Herbste des Jacob de Zoet

Titel: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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das die Niederländer eine Pontonbrücke nennen: eine Brücke aus aneinander festgemachten Booten. Zweihundert, schätzt er, würden ausreichen. Die Boote sollen in den Dörfern außerhalb der Bucht beschlagnahmt werden. Sie werden zur engsten Stelle in der Buchteinmündung gerudert oder gesegelt und von Ufer zu Ufer nebeneinander festgezurrt, sodass eine schwimmende Mauer entsteht.»
    Shiroyama stellt sich die Szene vor. «Was hindert das Kriegsschiff daran, die Brücke zu durchschlagen?»
    Der amtierende Faktor versteht und spricht auf Niederländisch mit Iwase. «De-Zoet-sama sagt, Exzellenz, das Kriegsschiff müsse die Segel streichen, um die Pontonbrücke zu durchstoßen. Segeltuch wird aus Hanf gewebt und oft mit Öl getränkt, um es regenfest zu machen. Eingeöltes Hanf brennt leicht, besonders jetzt, in der heißen Jahreszeit.»
    «Brandpfeile!» Shiroyama begreift. «Wir verstecken Bogenschützen in den Booten ...»
    De Zoet macht ein zweifelndes Gesicht. «Exzellenz, wenn die Phoebus in Brand gesteckt wird ...»
    Shiroyama erinnert sich an die Sage: «Wie der Sonnenwagen!»
    Wenn dieser wagemutige Plan gelingt , denkt er, wird der Mangel an Soldaten vergessen sein.
    «Viele der Seeleute an Bord der Phoebus », sagt de Zoet, «sind keine Engländer.»
    Ein solcher Sieg , sieht Shiroyama voraus, könnte mir einen Sitz im Ältestenrat einbringen.
    «Es muss den Gefangenen gewährt sein», de Zoet ist beunruhigt, «sich ehrenvoll zu ergeben.»
    «Ehrenvoll ergeben.» Shiroyama runzelt die Stirn. «Wir sind in Japan, Herr amtierender Faktor.»

[Menü]
    XXXVII

    Kapitän Penhaligons Kajüte

    Gegen sechs Uhr am Abend des 19. Oktober 1800
     
    Dunkle Wolken ballen sich zusammen, die Dämmerung ist erfüllt von Insekten und Fledermäusen. Der Kapitän erkennt den Europäer, der am Bug des Wachtbootes sitzt, und senkt das Fernrohr. «Man bringt uns Botschafter Fischer zurück, Mr. Talbot.»
    Der Dritte Leutnant sucht nach der richtigen Antwort. «Gute Neuigkeiten, Sir.»
    Der nach Regen riechende Abendwind raschelt durch die Seiten des Abrechnungsbuchs.
    «Ich hoffe, Botschafter Fischer bringt uns selbige.»
    Die See ist still. In der Ferne zündet Nagasaki seine Kerzen an und schließt die Fensterläden.
    Kadett Malouf klopft und steckt den Kopf zur Tür herein. «Lieutenant Hovell lässt Sie grüßen, Sir, und Mr. Fischer kommt zu uns zurück.»
    «Ja, ich weiß. Sagen Sie Lieutenant Hovell, er soll Mr. Fischer gleich in meine Kajüte bringen, wenn er sicher an Bord ist. Mr. Talbot, benachrichtigen Sie Mr. Cutlip: Ich brauche eine Schar Seesoldaten mit schussbereiten Gewehren. Sicher ist sicher ...»
    «Zu Befehl, Sir.» Talbot und Malouf entfernen sich mit wendigen jungen Schritten.
    Der Kapitän bleibt allein mit seiner Gicht und dem Fernrohr im fahlen Abendlicht zurück.
    Eine Viertelmeile achtern werden an den Wachposten am Ufer Fackeln angezündet.
    Kurz darauf gibt Schiffsarzt Nash sein Klopfzeichen.
    «Herein, Mr. Nash», sagt der Kapitän, «Sie kommen gerade recht.»
    Nash tritt ein. Sein Schnaufen klingt heute Abend wie ein kaputter Blasebalg. «Das Podagra ist ein ingraveszentes Leiden, Captain.»
    «‹Ingraveszent›? In dieser Kajüte wird normales Englisch gesprochen, Mr. Nash.»
    Nash setzt sich ans Fenster und legt Penhaligons Bein auf die Bank. «Die Gicht wird schlimmer, bevor eine Besserung eintritt.» Seine Finger sind sanft, aber die Berührung verursacht brennenden Schmerz.
    «Glauben Sie, das weiß ich nicht? Geben Sie mir die doppelte Menge.»
    «Ich halte es für wenig sinnvoll, die Opiatdosis so frühzeitig zu -»
    «Verdoppeln Sie die Dosis, bis der Vertrag abgeschlossen ist!»
    Schiffsarzt Nash wickelt den Verband ab und schnauft beunruhigt. «Jawohl, Captain, aber ich füge Henna und Aloe hinzu, bevor Ihr Verdauungstrakt seine Tätigkeit vollends einstellt ...»
     
    Fischer begrüßt den Kapitän auf Englisch, schüttelt ihm die Hand und nickt Hovell, Wren, Talbot und Cutlip zu. Penhaligon räuspert sich. «Nehmen Sie Platz, Botschafter. Wir alle wissen, warum wir hier sind.»
    «Sir, eine kleine Sache noch vorweg», sagt Hovell. «Eben sprach uns Mr. Snitker an. Er war sturzbetrunken und verlangte, unserem Gespräch mit Botschafter Fischer beizuwohnen. Er sagte, er werde auf keinen Fall zulassen, dass ein Eindringling abräume, was rechtmäßig ihm zustehe.»
    «Was ihm rechtmäßig zusteht», wirft Wren dazwischen, «ist ein kräftiger Tritt in den Arsch.»
    «Ich sagte ihm, wir

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