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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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über Mister Burman lustig zu machen. Der große Mann, der aussah, als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun, schaffe es noch, ganz Hinterindien in ein Inferno zu verwandeln. Denn wenn niemand mehr etwas höre, würde schließlich auch niemand mehr Rücksicht auf seine Mitmenschen nehmen und immer lautere Geräusche verursachen. Betty entgegnete dann meistens, dass das in Asien doch ohnehin bereits der Fall sei. Sie spürte selbst, dass sie kaum noch lächelte. Es war, als ob eine Aura von Trauer sie umgab, die sie selbst nicht mehr durchdringen konnte. Sie
wollte nur noch eines: nach Hamburg zurückkehren und den Tee abliefern, so wie sie es versprochen hatte.
    Bislang war die Reise quälend langsam verlaufen, aber ruhig.

SECHSTES BUCH
    Der Kampf des Saturn
    Die Hofdame der zweiten Gattin
des Kaisers
    Straße von Malakka, Sonntag, den 29. Juni 1860,
Augenblicke nach Mitternacht, bis Hafen von San Francisco,
Dienstag, den 24. Dezember 1860, früher Morgen.

1
    Am 26. Tag der Reise erreichten sie die Straße von Malakka, eine lang gestreckte Meerenge zwischen der malaiischen Halbinsel und der Insel Sumatra, die die Andamanensee mit dem Südchinesischen Meer und der Javasee verband. Mister Burman wusste zu berichten, dass diese Wasserstraße an der schmalsten Stelle keine anderthalb Seemeilen breit war, ein Nadelöhr, in dem angeblich häufig Piraten lauerten, um sich die Heuer der Seeleute zu nehmen. Auf allen kultivierten Schiffen der Weltmeere nämlich sei es Vorschrift, die gesamte Heuer aller Seeleute stets in Gold oder Silber mit sich zu führen. Das übe auf Piraten wohl große Anziehungskraft aus.
    Sie standen an Deck, wie in den Nächten zuvor, hielten sich an der Reling fest und starrten aufs Meer hinaus. Während der vergangenen Tage war es heißer und heißer geworden, selbst nachts kühlte es nicht ab. Das Wasser war tagsüber von einem öligen Dunkelblau und des Nachts fast schwarz. Fast schien sich das Deck der Cressida über Tag zu erhitzen wie eine Herdplatte. Unter Deck indes war es unerträglich schwül
geworden. Selbst die Großfamilie war nach einigem Hin- und Hergeräume nach oben gekommen und hatte sich auf Decken und Kissen unter freiem Himmel ausgebreitet. Jetzt gab es nur noch winzige freie Plätze, auf die man seine Schritte setzen konnte, wenn man an Deck umhergehen wollte.
    Der Steuermann ließ die Dieselmotoren nur auf halbe Kraft voraus laufen, angeblich, damit sie die Stille nicht zerschnitten und niemanden an Land auf sich aufmerksam machten. Betty aber war sich sicher, dass sie weithin zu hören sein würden. Seit sie die Straße von Malakka befuhren, spürte sie die Nähe des Landes in der Nase. Kam da nicht ein Schwall feuchten Moderduftes von den tiefgrünen Landzungen herübergeweht? Und roch man nicht auch die Rinden der Kokospalmen, aus denen die Uferbewohner ein Feuer entfacht haben mochten? Die schwere Fäulnis von Fischabfällen, die nur Menschen hinterlassen können, niemals aber die Natur selbst? Dazwischen glaubte sie sogar den beißenden Geruch von Wanzenkraut wahrzunehmen. In Asien hieß das Kraut mit den unscheinbaren Blättern zwar Koriander, aber es wurde doch für den gleichen Zweck gesammelt und eingesetzt.
    Sikki und Mister Burman beruhigten sie. Mister Burman war auf seinen diversen China-Expeditionen während zwei Dutzend Jahren immerhin schon acht Mal durch diese Meerenge gefahren und niemals war etwas geschehen. Der Kapitän führe langsam, um Kohlen zu sparen und um den Hafen von Malakka nicht anlaufen zu müssen. Betty konnte den Anblick des schweren schwarzen Wassers in dieser Nacht besonders schlecht ertragen. Sie war müde und unkonzentriert, und ohne dass sie es wollte, streifte sie der Gedanke an Francis. Sie blickte zu den Sternen hinauf und fragte sich, ob Francis sie auch gerade sah. Dann bewölkte sich der Himmel und verschluckte den halben Mond. Der Geruch von Wanzenkraut wurde stärker und vermischte
sich nun noch mit dem Gestank von aufgestoßenem Rum. Wenn die Mannschaft der Cressida dem Suff verfallen war, dann hatte sie es bislang gut verstecken können.
    Das Schiff fuhr immer noch langsam voran. Nicht einmal die schimmernde Bugwelle war mehr zu sehen. Mister Burman verkündete, dass er sich nun aller Hitze zum Trotz schlafen legen wolle, nicht ohne ein frisches Pärchen Odysseuskugeln einzusetzen. Er würde sich gleich hier aufs Vorschiff legen, falls er noch ein Plätzchen fände. Hier sei es durch den Fahrtwind kühler.
    Keine halbe

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