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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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für andere Leute!«
    Lisi, die dem Gespräch gefolgt war, lachte laut auf. »Kommen Sie doch bitte beide mit. Es wird Ihnen dort bestimmt gefallen!« Sie zögerte. »Zumindest ist es ein Erlebnis, Tante Wang kennenzulernen. Während meiner Kindheit war sie in Kanton sozusagen eine Institution. Ich habe sie als kleines Mädchen nur einmal gesehen, danach hatte ich aber immer wieder
böse Träume, dass sie kommen und mich fressen würde. Bald darauf hat sie allerdings China verlassen und ist auf die andere Seite des Meeres gezogen.«
    »Das klingt ja ganz bezaubernd!« Betty sah Sikki an und diese zuckte die Schultern. Eine andere Möglichkeit hatten sie schließlich nicht.
    Um in das Wohngebiet der Chinesen zu gelangen, mussten sie den Hügel noch weiter hinaufsteigen und sich dann westlich halten, bis fast zum Wasser hin. Lisi lief mit ihrem Baby im Arm leichtfüßig voran. »Mein Mann ist schon vorausgegangen, aber ich wollte auf Miss Betty und Miss Sikki warten.«
    Betty und Sikki folgten Lisi mit einiger Verdrossenheit. Der Weg war weit, viel weiter, als Betty ihn sich vorgestellt hatte. Rechts und links der gepflasterten Straße standen kleinere Hütten, dazwischen aber auch immer wieder größere weiße Holzhäuser mit hellen großen Veranden. Wer wohl in diesen schönen Häusern wohnte? Ob es die ersten glücklichen Goldsucher waren, von denen so viel geredet wurde? Ob sie nicht besser auch in den Goldflüssen ihr Glück versuchen sollten? Einmal blickte Betty in ein Fenster eines großen weißen Hauses und sah, wie ein Mann eine Frau umarmte und ihr einen Kuss auf die Nase gab.
    Sie erreichten nun ein Geschäftsviertel, das dem in Kanton nicht unähnlich war. Nur dass hier alles aufgeräumter und großzügiger wirkte. Die Straßen waren breit und licht, und zwischen den einzelnen Geschäften waren die Durchgänge so groß, dass dort sogar Pferdekutschen hindurchgepasst hätten. Die allerdings gab es hier offenbar nicht. Alles, was transportiert werden musste, wurde an wippenden Jochen auf den Schultern geschleppt, die die Menschen flink überallhin trugen. Zwischen den Häusern waren Gärten angelegt, die nun, Ende Dezember, zwar nicht so vertrocknet waren wie die Gärten in
Bettys Heimat um diese Jahreszeit, die aber auch nicht mehr blühten.
    Das Haus von Tante Wang lag etwas zurückgesetzt zwischen zwei Waffenläden. Vor ihrer Haustür saßen zwei Personen einträchtig nebeneinander auf einer geschnitzten Holzbank. Die eine war eine uralte kleine Frau, die damit beschäftigt war, kleine getrocknete Früchte auf ein Band aufzuziehen. Betty kniff die Augen zusammen. Gab es hier Früchte mit Flügeln? Oder waren es tatsächlich Käfer, die sie da aufreihte? Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sikki wandte sich angeekelt ab. Die andere Person war ein kräftiger junger Mann. Er trug weiße Hosen und ein weißes Hemd und darüber eine schwarze Weste. Der Säbel an seiner Seite hatte eine drei Fuß lange Klinge, die so scharf war, dass man damit vermutlich ein zu Boden sinkendes Rosenblatt hätte zerschneiden können. Betty konnte das so genau erkennen, weil er die Spitze der Klinge nun direkt vor ihr rechtes Auge hielt.
    Aus dem Inneren des Hauses erklang eine krächzende Stimme. »Das muss Tante Wang sein«, rief Lisi fröhlich. »Hallo! Tante Wang!«
    Wieder ein Krächzen, dann senkte der junge Mann seine Klinge und Betty, Sikki und Lisi konnten unter dem braunen Perlenvorhang hindurch eintreten.
    Das Licht in diesem Raum war heller, als Betty erwartet hatte, denn an seinem hinteren Ende hatte der große Raum mehrere Fenster, die in einen verwelkten Garten hinausblickten. Die kleine knorrige Frau im Sessel musste Tante Wang sein. Betty wusste sofort, weshalb Lisi sich als Kind vor ihr gefürchtet hatte, denn Tante Wang hatte sehr eng stehende kleine Augen, die von einem ungewöhnlich leuchtenden Blau waren, so wie es in Asien eigentlich niemals vorkam. Mit diesen Augen musterte Tante Wang Betty und Sikki nun eindringlich.
Rechts und links von ihr saßen zwei weitere junge Männer, die dem vor der Tür in Statur und Kleidung sehr ähnlich waren. Auch sie waren mit ihren Säbeln schnell zur Hand, machten sich allerdings nicht die Mühe, für ihre Drohgebärde überhaupt aufzustehen.
    Tante Wang zischte einem der Männer einen kurzen Befehl zu, daraufhin schnellte er hoch und nahm Lisi das Baby aus dem Arm, das er in einen anderen Raum brachte. Betty gefror das Blut in den Adern, aber Lisi lächelte nur. »Danke,

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