Die Teeprinzessin
dann bitte eines der Teepakete als Gegenwert geben.«
»Als Gegenwert für mehr als 2000 Dollar?« Der Mann hinter der Kasse lächelte sie an. Es war ein junger Mann mit einem glatten Gesicht, der sehr freundlich aussah. »Das tut mir leid. Indischer Tee wird hier bei uns leider nicht getrunken. Daher hat er auch keinen Verkaufswert. Mag der Himmel wissen, woraus die den machen. Wenn Sie die Steuer nicht bezahlen können, muss die Ware hierbleiben.«
Betty spürte, wie Sikki ihr eine Hand auf den Rücken legte, aber sie schüttelte sie unwillig ab. »Ich will hier raus. Ich gehe zurück. Ich fahren mit dem Tee wieder nach Schanghai!«
Der Offizier mit dem Stempel schaltete sich nun ebenfalls
ein. »Sie können nur zurückreisen, wenn wir Ihnen die Einreise verweigern. Aber das tun wir nicht. Wenn Sie die Gesundheitsuntersuchung passieren, wovon ich ausgehe, müssen Sie einreisen. In San Francisco und im ganzen Westen gibt es einen Mangel an kaukasischen Frauen. Wir sind gehalten, selbst diejenigen Weibsbilder einzulassen, die an der Syphilis erkrankt sind oder an einer anderen Geschlechtskrankheit.« Er drückte den Stempel in ein Stempelkissen und ließ ihn auf das Papier herunterknallen. »Jedenfalls dann, wenn die Krankheit nicht weit fortgeschritten ist. Auch Filzläuse würden wir eventuell noch durchlassen, die Krätze in ihrer milden Form und sogar Wanzen, wenn es nicht zu viele wären.«
Betty konnte vor Wut kaum noch sprechen. »Was erlauben Sie sich?«
Der Mann ging überhaupt nicht auf sie ein. »Treten Sie nun bitte zwei Schritte zurück und machen Sie sich frei, damit ich Ihren Körper begutachten kann. Das gilt auch für alle anderen hier im Raum. Ziehen Sie sich bitte ganz aus, Sie werden nun inspiziert!«
Betty hörte, wie Lisi, die mittlerweile im Raum war, zu wimmern begann. Auch Sikki klammerte sich verbissen an ihren Sari. »Aber Sie sind doch kein Arzt!«, rief Betty.
Der Mann nickte. »Sehr richtig. Ich bin Beamter der Einwanderungsbehörde von Kalifornien. Um zu sehen, ob Sie Rötungen am Körper haben oder ob die Läuse auf Ihnen herumkrabbeln, muss ich kein Arzt sein. Entkleiden Sie sich bitte, ich möchte Sie nicht erst in Haft nehmen lassen, um Sie dazu zu zwingen, unsere Gesetze einzuhalten.«
»Aber ich will hier überhaupt nicht bleiben!«, schrie Betty. »Und ich bin auch keine Chinesin!« Der Schweiß lief an ihren Schläfen herunter. Sie wollte weglaufen und wusste doch nicht, wohin.
Der Einwanderungsoffizier mit dem Stempel sah sie streng an. »Was soll das heißen, Sie sind keine Chinesin? Sie unterstehen denselben Einwanderungsbestimmungen wie alle anderen. Alle Menschen sind von Gott gleich geschaffen. Das ist das Fundament unserer Verfassung. Bitte enthalten Sie sich abfälliger Bemerkungen gegenüber den Angehörigen anderer Volksgruppen!«
Betty senkte die Augen. Dann zog sie ihr Kleid aus und legte es auf den Boden, gleich darauf fielen ihr Leibchen, der Unterrock und die lange gerüschte Unterhose hinterher. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen, knöpfte die Strumpfbänder der Strümpfe auf und wickelte sie langsam ab, dann zog sie als Letztes das dünne lange Hemd aus, das sie trug. Die jungen chinesischen Bauern hatten sich abgewandt. Auch sie hatten sich bereits ihrer Kleidung entledigt. Nun standen sie gebückt und hielten die Hände schützend vor ihre Unterleiber. Sikki war nun ebenfalls nackt, stand aber mitten im Raum wie eine Rachegöttin und fixierte einen der Männer, den sie offenbar für den Hauptbösewicht hielt.
Ein Stuhl scharrte über den Boden. Der Mann öffnete seine Kasse, hob den hölzernen Einsatz heraus und förderte eine große Lupe zutage. Dann näherte er sich damit Betty.
»Was wollen Sie? Bleiben Sie, wo Sie sind!« Betty war ein Stückchen zurückgewichen.
»Ich will nur sehen, ob Sie Filzläuse haben. Oder eine Geschlechtsentzündung. Wir sind gehalten, die Körper der Fremden vornehmlich durch eine Lupe zu betrachten, damit unser Schamgefühl durch ihren Anblick nicht verletzt wird.« Er ging vor ihr in die Hocke und blickte durch seine Lupe, die er genau auf ihre Scham richtete. »Es ist so auch viel deutlicher. Bitte rechtes Bein leicht anheben. Linkes Bein. Danke. Sie können sich wieder anziehen.«
Betty hatte sich noch niemals in ihrem Leben derartig geschämt. Es war, als ob ihr ganzer Köper betäubt wäre. Sie zog sich eilig wieder an. Schade nur, dass es nicht regnete. Sie hätte die Blicke dieser Männer gern von ihrem
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