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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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wie eine Magd? Sah sie denn nicht, dass Betty aus einer anderen Klasse stammte? Betty wendete sich ab und eilte zur Tür hinaus. So verletzt wie in diesem Augenblick hatte sie sich lange nicht gefühlt. Tränen rannen über ihr Gesicht. Sie konnte nicht einmal ein lautes Schluchzen verhindern.
    »Heul dich bitte im Keller aus!«, rief Antje Tollhoff ihr durch die geschlossene Tür hinterher. »Als ob man in diesem Haus nicht genug Sorgen hätte!«
    Betty hatte Mühe, die Tür zum Kellerabgang überhaupt wiederzufinden, zwei Mal öffnete sie falsche Türen, die in kleinere, ebenfalls weiße Empfangsräume führten. Außer Antje Tollhoff war von den Herrschaften offenbar niemand zu Hause. Auf der Kellertreppe nahm die Haushälterin sie kopfschüttelnd in Empfang und führte sie an der Schulter nach unten. »Du darfst die gnädige Frau bitte nicht so aufbringen. Sie ist nervenleidend, sie verträgt das nicht. So, und nun ist Schluss mit den ganzen Fisimatenten, nun wird sich das Gesicht gewaschen,
eine frische blaue Schürze umgebunden und dann mal, hui, tüchtig der Küchenboden geschrubbt, das befreit den Geist.« Sie schob Betty durch die Küche hindurch in die Mädchenkammer, die um diese Stunde ganz leer war. Nur das Bündel Kleider lag noch auf dem hinteren Strohsack. »Anziehen! Mit dem Arbeiten anfangen!«, brummt Alida Meier, gab Betty aber im Hinausgehen noch einen freundlichen Klaps auf den Po.
    »Ich möchte zu den Remburgs!«, stammelte Betty. »Ich möchte unverzüglich wissen, wo sie wohnen.«
    Alida Meier drehte sich noch einmal zu ihr um und nickte ergeben. »Ganz ruhig, mein Deern, die Remburgs wohnen am Jungfernstieg, da kannst du am Sonntag in zwei Wochen hingehen, oder meinetwegen auch sonst wo hin, dann hast du deinen freien Nachmittag. Ich will gar nicht wissen, was ihr da alles treibt. Aber nun wird erst einmal gearbeitet. Tüdel hier nicht lange rum. Der Küchenboden schreit schon nach dir! Und danach kannst du das Schwein füttern. Und die Pisspötte in den Schlafzimmern müssen so langsam mal geleert wer den, die anderen Mädchen sind alle draußen beim Wäschebleichen.«
    Hatte sie das richtig verstanden? Wollte man sie wirklich so demütigen? Oder war das alles nur ein Versehen? Betty wischte sich mit dem Handrücken über das verweinte Gesicht. Das war ja schon eine Bewegung, die zu einer Magd passte, dachte sie verdrossen. Unterkriegen lassen würde sie sich jedenfalls nicht. Sie kniff die Lippen zusammen. Dann knöpfte sie die Jacke ihres Reisekostüms und die gelbe Bluse auf und warf ihre Kleidung auf den Strohsack.
    Der lange dunkle Rock der Hausmädchentracht passte ihr fast genau, auch das grobe braune Hemd und das dunkelblaue Mieder hatten das richtige Maß. Nun noch die Schürze umbinden.
Immerhin waren die Sachen fast neu, was man von ihrer eigenen Kleidung nicht gerade sagen konnte. Sie musste nachdenken. Dann würde ihr schon einfallen, wie sie dieses dumme Missverständnis auflösen konnte. Vielleicht war es nicht einmal schlecht, dabei etwas den Boden zu fegen. Zu Hause hatte sie niemals im Haushalt helfen müssen. Aber eine schwierige Arbeit konnte das ja wohl nicht sein. Sonst würden nicht so viele einfache Mädchen sie verrichten.
    Es verging keine halbe Minute, bis sie festgestellt hatte, dass es hier nicht um das einfache Kehren der Küche ging, sondern darum, auf den Knien zu sitzen und mit beiden Händen die Scheuerbürste auf dem Steinboden vor und zurück zu drücken. Die alte Meier hatte ihr dazu ein fingernagelgroßes Stück von einer ranzigen braunen Seife zugeteilt und ein Löffelchen Soda, mit dem sie beim zweiten Durchgang schrubben sollte, wie die Alte erklärte. Dazu gab es einen Eimer mit kaltem, nicht sehr sauberem Wasser. »Wenn du fertig bist, kannst du dir frisches Wasser aus dem Wasserhahn nehmen, aber vorher alles schön ordentlich machen«, meckerte Alida Meier. »Einen Wasserhahn kennst du bestimmt nicht, den kennt keines der Mädchen, wenn es hierherkommt. Zum Brunnen geht man in den feineren neuen Häusern nicht mehr. Das Wasser kommt bei uns aus dem Rohr und es stammt aus dem Fluss. Wir nennen das die Hamburger Wasserkunst. Es ist eine ganz neue Erfindung. Aber nicht so weit aufdrehen!«
    Betty kniete auf dem Boden und drückte die grobe Scheuerbürste hin und her. Die Haare hatten sich trotz ihrer Spangen gelöst und hingen ihr wirr ins Gesicht. So viel Bewegung hielten die schmalen Silberschließen nicht aus, sie rutschten herunter. Deswegen

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