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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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schwersten Arbeiten verrichten und auf Knien hockend die Fußböden schrubben musste. Auch die monatliche Unpässlichkeit hatte irgendwann ausgesetzt, so wie sie das einmal über die Arbeiterinnen im Moor gehört hatte, die alle ihre Lebensfunktionen verloren, bevor sie dann kurze Zeit später gänzlich ausgezehrt waren. Betty war eher erleichtert darüber. Keine gestrickten Wollvorlagen mehr, die sie in kaltem Wasser auswaschen und hinter dem Küchenherd hätte trocknen müssen.
Keine Bauchschmerzen. Betty fühlte sich körperlich wie ein trauriges Kind. Ihr Leib schwieg. Ihre Gedanken schliefen.
    Wenn sie an einem der vielen Spiegel in Aberdiras Wohnung vorüberging, sah sie nur den Staub auf dem Rahmen und eilte geschwind nach einem Tuch. Ihr Spiegelbild beachtete sie nicht, es zeigte schon lange eine fremde Person. Wenn diese Person keine Röcke trüge und keine hochgewundenen Zöpfe, dann hätte man sie fast schon für einen Knaben halten können.
    Bis zu einem Montag Anfang Dezember. Es war früher Nachmittag und schon fast dunkel. Seit Tagen taute es und mit dem milderen Wetter lösten sich auch die Bewohner der Stadt aus ihrer Reglosigkeit. Jetzt floss das Wasser wieder in der Leitung, am Hafen verkehrten die Schiffe, die großen Segler verschoben sich aus dem eisernen Griff der dick gefrorenen Duckdalben, sogar auf dem Markt hatten an diesem Tag wieder einige Händler gestanden und Mehl, blau gefrorene Kartoffeln und Sandmöhren angeboten. In den Zeiten des Frostes hatte der Markt immer in gespenstischem Nebel gelegen und man hatte dort außer frisch geschlachtetem Schwein und harten Würsten nichts kaufen können.
    Als es laut an der Tür pochte, schreckte selbst Aberdira zusammen. Offenbar hatte er keinen Besuch erwartet. Er schien verwirrt und huschte zunächst in sein Ankleidezimmer, um den Sitz seines seidenen Hausmantels zu überprüfen. So durfte Betty zur Tür gehen und sie öffnen. Das war noch niemals vorgekommen.
    Vor ihr stand Anton. Die hellen Haare waren feucht vom Schweiß, die Augen waren weit geöffnet. »Betty, bitte hilf mir!«
    Betty zuckte hilflos die Schultern.Aberdira schien die Stimme seines jungen Freundes bis in sein Ankleidezimmer gehört zu
haben, jedenfalls stand er plötzlich verstört im Flur, zog Anton in die Wohnung hinein und schloss sorgfältig die Tür. »Was um Himmels willen ist passiert? Du siehst aus, als wäre der Teufel hinter dir hergelaufen!«
    Anton war in den Salon getappt und hatte sich erschöpft auf eines der Kissen fallen lassen. Da niemand ihr einen Auftrag gab, stand Betty unschlüssig in der Tür. »Soll ich einen Tee für den jungen Herrn kochen?«
    Anton schüttelte den Kopf. »Betty, bitte, hör auf damit und setz dich her zu mir. Verzeih mir. Es tut mir so leid, was ich dir in den letzten Monaten angetan und was ich über dich gesagt habe. Bitte hilf mir. Ich weiß, dass nur du mich noch ret ten kannst!« Seine hellen Augen waren voller Tränen, seine weichen Hände zitterten. Aberdira schien den Anblick seines verzweifelten Freundes kaum ertragen zu können. Er rang die Hände, unternahm aber nichts, um Anton zu trösten.
    »Wir rüsten seit Monaten ein Schiff der Remburgs aus. Jetzt, wo wir ein paar Tage keinen Frost haben, soll es morgen früh nach China ablegen.« Er schluchzte und hielt sich dabei ein großes weißes Taschentuch vor die Nase.
    Aberdira nickte ungeduldig. »Das hast du mir schon zehn Mal erzählt. Der alte Remburg will in China neue Agenturen aufmachen und Tee kaufen.« Er stockte einen Moment. »Bist du traurig, weil er geht? Du wirst doch nicht etwa dein Herz an ihn verloren haben?« Er biss sich auf die Lippen.
    »Unsinn!« Anton zerknüllte das Taschentuch und drückte es immer wieder an die Augen. Betty konnte es kaum mit ansehen. »Heinrich Remburg hatte heute Mittag einen Herzan fall. Er wird nicht fahren können. Der Doktor sagt, er kann froh sein, wenn er überhaupt das Weihnachtsfest erlebt. Remburg liegt mir seit Wochen in den Ohren, dass ich ihn begleite. Stell dir vor, ich habe die Teewette gewonnen. Als Einziger aus
dem Atlantisch-Patriotischen Club! Niemand sonst hat erraten, dass das dieser eigenartige neue Darjeeling war.« Kurz lächelte er stolz, aber dann verblich dieses Gefühl offenbar und zurück blieb ein Ausdruck des Elends. »Meine Reise hat bisher zum Glück Frau Remburg verhindern können. Sie wollte einfach nicht, dass ich ein oder gar zwei Jahre fort bin. Wenn nicht länger! Aber nun, wo ihr Mann krank

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