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Die Teeprinzessin

Titel: Die Teeprinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Häusern.«
    Erst jetzt sah Betty, wie hoch die Zimmerdecke hier war, bestimmt drei Mal so hoch wie in den Räumen, die sie aus Hamburg kannte. Weit oben unter der Decke und genau über ihrem Bett hing eine Holzplatte mit langen seidenen Fransen daran, die sie am Abend zuvor noch für einen riesigen Baldachin gehalten hatte. Sikki fing ihren Blick auf und erklärte, dass das nicht etwa der obere Teil eines Himmelbettes sei. Es sei ein Punka, und er sei mit Seilen versehen, die in einen kleinen Nebenraum reichten. Im Sommer, wenn es sogar hier oben in den Bergen nahezu unerträglich warm würde und auch manchmal Mücken und Falter herumflogen, stünde mitunter ein Diener zum Punkaziehen dort nebenan. Gerade wenn die Räume so hoch wären wie die in diesem Haus, würde das für einen guten Luftzug sorgen. Manche Europäer ließen sogar die ganze Nacht über Punka ziehen. Sikkis Gesichtsausdruck enthielt nicht den Hauch eines Tadels. Sie selbst allerdings habe andere Aufgaben,
sagte sie. Sie sei eine Dienerin zum Baden und Ankleiden und für Gespräche unter Frauen, wie sie sagte, für alle anderen Tätigkeiten gäbe es jeweils andere Bedienstete.
    Betty tappte ein paar Schritte zum Fenster und hätte fast aufgeschrien. Unter ihr lag ein atemberaubend steiles leuchtend grünes Tal. Jenseits des Tales ragten grün bewachsene Berge empor. Das Schönste aber waren die weit entfernten Felsmassive, die majestätisch unter dem blassgrünen Morgenhimmel thronten wie unter einem Baldachin. Ihre Spitzen waren mit Schnee bedeckt.
    »Sie haben Glück«, sagte Sikki. »Den Kachanjanga können wir hier nicht jeden Tag sehen. Er ist einer der höchsten Berge des Himalaya, er ist mehr als 28 000 Fuß hoch, fast so hoch wie der Himmel. Mister Jocelyn hat gesagt, dass der Berg Sie begrüßen will und dass er sich Ihnen zu Ehren zeigt.«
    »Mister Jocelyn ist schon aufgestanden?«
    Sikki nickte. »Er steht stets im Morgengrauen auf und praktiziert zusammen mit Dayun seine Kampfübungen und seine Meditation. Er hat sich bereits erkundigt, ob Sie gut geschlafen haben. Da habe ich nach Ihnen gesehen und konnte ihm berichten, dass Sie im Schlaf aussehen wie eine Blume. Er war sehr erfreut, das zu hören.«
    Betty spürte, wie sie errötete.
    Sikki tat so, als ob ihr das nicht auffiele, und sie hielt Betty über jedem Arm ein Kleid hin. Eines ihrer leichten Sommerkleider aus Hamburg und ein indisches Gewand, das, soweit Betty das sehen konnte, nur aus einem langen blassblauen, über und über mit kleinen Brokatblumen bestickten Seidenschal bestand. Es sah wunderschön aus.
    »Was werden Sie heute tragen, Miss?« Sikki wartete ruhig ab. Betty gefiel die Gelassenheit der Dienerin, die ihr zu keiner bestimmten Wahl zu raten schien.

    Betty befühlte das indische Gewand mit den Fingerspit zen. Der Stoff war weich und zart wie ein sanfter kühler Nebel. Sikki breitete es vor ihr aus. Genau wie Betty vermutet hatte, war es nichts anderes als eine etwa vier Fuß breite und bestimmt fünfzehn Fuß lange Stoffbahn, die offenbar um den Körper geschlungen werden sollte. Dazu gehörten ein leichter blassblauer Unterrock und eine Bluse mit sehr kurzen Ärmeln. Eigentlich war die ganze Bluse ausgesprochen kurz, sie sah fast aus wie ein Kleidungsstück für ein Baby. »Wer hat schon so kurze Arme? Das wird mir sicherlich nicht passen!« Betty war fast ein wenig enttäuscht.
    »Doch, das wird es. Es ist sogar für besonders lange und wohlgeformte Arme geschaffen, für so fein geschwungene wie die Ihren. Wollen Sie es einmal anziehen?«
    Betty sah verwundert an ihren Armen herab. Bislang waren sie ihr ganz und gar unauffällig erschienen, eigentlich hatte sie noch niemals über sie nachgedacht. Sie konnte sich trotzdem nicht vorstellen, wie man eine derartig kleine Bluse und einen ungenähten langen Stoffstreifen so anziehen konnte, dass daraus ein Kleid wurde.
    Sikki schien ihre Gedanken zu erraten. »Schauen Sie nur, ich trage ebenfalls einen Sari. Fast alle Frauen in Indien tun es. Nur die Stoffe sind unterschiedlich und natürlich die Farben. Ein Sari ist besonders kühl und luftig und man kann sich wunderbar darin bewegen!« Sikki löste eine Stofffalte und wickelte sich blitzschnell aus ihrem Sari, der aus einem einfachen gestreiften Baumwolltuch bestand. Mit bauchfreier Bluse! Genauso schnell hatte sie den Stoff wieder um ihren Körper geschlungen. »Es ist sehr einfach. Wollen Sie es versuchen? Es würde Sie wunderbar kleiden!« Sie wiederholte das

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