Die Teerose
Ebenholz und trug nur seine Hose, die von Urin durchnäßt war. Er lag ganz still und wirkte so weiß wie die schweißgetränkten Laken unter ihm. Anstelle des schönen Mannes, den sie in Southampton kennengelernt hatte, sah sie ein blutleeres Gespenst vor sich. Sie drückte die Handflächen an seine Wangen und stellte erleichtert fest, daß sie feucht, aber warm waren. Sie strich die nasse Haarlocke aus seiner Stirn und küßte ihn. »Nick, ich bin’s, Fiona. Kannst du mich hören? Antworte mir, Nick, bitte, antworte mir.«
Seine Augenlider zuckten. »Fee«, krächzte er, »geh weg.« Seine Lippen waren aufgesprungen, sein Mund trocken. Sie lief ins Badezimmer, holte ein Glas Wasser, hob seinen Kopf und hielt es an seine Lippen. Er griff danach und trank mit gierigen Schlucken. Dann hustete er und erbrach einen großen Teil davon. Fiona drehte ihn auf die Seite, damit er nicht erstickte, dann half sie ihm, in langsamen Schlucken zu trinken. »Vorsichtig«, sagte sie. »Es ist genug da. Mach ganz langsam … ja, so ist’s gut.«
Nachdem er ausgetrunken hatte, legte sie seinen Kopf sanft aufs Kissen zurück.
»Bitte geh, Fiona«, flüsterte er. »Ich will dich nicht hierhaben … ich kann selbst für mich sorgen.« Er begann zu zittern, und seine Hände tasteten ziellos nach seiner Decke. Fiona hob die Überdecke auf, die er aus dem Bett gestoßen hatte, und deckte ihn zu.
»Ja, das sehe ich. Und das hast du auch ganz wundervoll gemacht«, sagte sie. Seine Zähne begannen zu klappern. Sie legte sich zu ihm ins Bett, schlang die Arme um ihn und versuchte, ihn zu wärmen. »Ich schwöre dir, Nick, sobald es dir bessergeht, bring ich dich um deswegen.«
»Mir wird’s nicht mehr bessergehen.«
»Doch, das wird es! Sag mir, was dir fehlt!«
Er schüttelte den Kopf. Sie wollte gerade nachhaken, als ein lautes, dröhnendes »Hallo« aus dem Gang erklang.
»Hier drinnen!« rief sie zurück.
Ein kahler Mann mit silbernem Bart und Brille betrat den Raum. »Dr. Werner Eckhardt«, sagte er. »Entschuldigen Sie bitte.« Damit schob er Fiona beiseite und begann, Nick zu untersuchen.
Fiona beobachtete, wie er Nick in die Augen sah, seinen Nacken massierte und seine Brust abhörte. »Wozu ist das?« fragte sie, als er eine Spritze herauszog.
»Um seinen Herzschlag zu beruhigen«, antwortete. »Wie lange ist er schon in diesem Zustand?«
»Ich … ich weiß es nicht. Ich hab ihn letzten Sonntag gesehen. Heute ist Samstag …«
»Ich hab ihm prophezeit, daß das passieren würde«, sagte der Arzt verärgert. »Ich hab ihm Ruhe und eine entsprechende Ernährung verordnet.« Er zog eine zweite Spritze heraus. »Gegen die Austrocknung«, fuhr er fort. »Ich brauche eine Schüssel heißes Wasser und Seife. Und Waschlappen und Handtücher. Er wird sich wund gelegen haben, und die Wunden müssen gereinigt werden, bevor sie sich entzünden.«
Fiona brachte alles, was der Arzt verlangt hatte, dann half sie Dr. Eckhardt trotz Nicks schwacher Einwände, ihm die Kleider auszuziehen, ihn zu waschen, die schmutzige Bettwäsche zu wechseln und ihm einen sauberen Pyjama überzuziehen. Sie hatte einen starken Magen und schreckte nicht zurück angesichts der offenen Wunden an Schenkeln und Rücken, aber der Anblick seiner hervorstehenden Hüftknochen, der ausgemergelten Beine und der eingefallenen Brust brachte sie fast zum Weinen. Schon auf dem Schiff hatte sie gewußt, daß es ihm nicht gutging. Die ganze Zeit war etwas nicht in Ordnung gewesen mit ihm. Warum, ach, warum nur hatte sie nicht eindringlicher nachgefragt?
»Ja, so ist’s besser. Wir lassen ihn jetzt ein paar Minuten ruhen, bis die Medikamente wirken. Wir unterhalten uns draußen. Kommen Sie.«
Sobald sie außer Nicks Hörweite waren, packte Fiona den Arm des Arztes. »Schafft er’s? Er stirbt doch nicht, oder?«
»Sind Sie eine Verwandte von Mr. Soames?« fragte Eckhardt.
»Ja. Ich … ich bin seine Cousine«, log sie. »Er stirbt doch nicht?« fragte sie unter Tränen.
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Nein, aber er ist sehr krank. Er schafft es jetzt noch einmal, aber wenn er nicht anfängt, auf sich zu achten, geht’s bergab mit ihm. Rapide. Was die Behandlung anbelangt …«
»Bitte, Dr. Eckhardt«, sagte Fiona zutiefst erschrocken und verwirrt. »Was fehlt ihm? Was hat er?«
Eckhardt sah sie überrascht über die Ränder seiner Brillengläser hinweg an. »Na, Syphilis natürlich. Verzeihen Sie, ich dachte, das wüßten Sie.«
»Miss Finnegan, Sie
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