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Die Teerose

Die Teerose

Titel: Die Teerose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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»Mama hat gesagt, daß Millie das Baby verloren hat, Joe. Wie hat sie’s denn verloren? Ist es ausgebüchst? Hat sie’s schon wiedergefunden?«
    »Sei still, Cathy!« schimpfte Ellen.
    Joe hielt beim Aufschneiden des Lamms inne. »Das Baby ist nicht verlorengegangen, Schatz«, antwortete er ruhig. »Es ist im Himmel.«
    »Aber warum? Warum ist es dort?«
    »Still! Iß jetzt und laß es gut sein«, bellte ihr Vater. »Kein Wort mehr über Millie, über Babys oder sonstwas dergleichen.«
    »Ich hab eine neue Geschäftsidee«, sagte Joe.
    »Was denn?« fragte Rose aufgeregt.
    »Sobald ich genug gespart hab, besorg ich mir einen Wagen, lad ihn mit den besten Waren voll und geh in den besseren Vierteln von Tür zu Tür. In Mayfair vielleicht. Wenn ich genug Geld verdient hab, kauf ich ein Pferd und einen Anhänger, damit ich weiter weg fahren kann. Nach Knightsbridge zum Beispiel, und dann stell ich noch einen Mann ein für die Mayfair-Route. Und auf diese Art vergrößer ich mein Geschäft, bis ich den größten Teil vom West End abgedeckt hab.« Er war ein bißchen in Fahrt gekommen. Ein wenig von seinem alten Feuer flammte wieder auf. »Auf diese Weise kriegen die Köchinnen und Haushälterinnen täglich die besten Waren frei Haus geliefert. Sie können in aller Ruhe aussuchen, müssen nicht selber einkaufen gehen und sich nicht mit dem verwelkten Zeug zufriedengeben, das ihnen der Laden an der Ecke bietet, versteht ihr? Ich denke, ich nenne es Montague’s – Wo sich Qualität mit Bequemlichkeit paart. Nach der Straße hier. Was haltet ihr davon?«
    »Ich finde, es ist eine großartige Idee«, sagte Rose.
    »Ich würde für dich arbeiten«, sagte Jimmy. »Ich könnte dir am Morgen helfen und wär rechtzeitig zurück, um am Nachmittag Vater zu unterstützen.«
    »Ich finde, das ist die dümmste Idee, die ich je gehört hab«, sagte sein Vater. »Wie willst du denn die Köchinnen dazu bringen, bei dir zu kaufen? Sie haben doch schon ihre Geschäfte …«
    »Peter …«, begann Rose. Er hörte nicht auf sie.
    »… und woher willst du wissen, was du anbieten sollst? Und wieviel davon? Das eine wird dir ausgehen, und von dem anderen hast du zuviel. Bleib lieber bei der Arbeit, die du hast, und sei dankbar dafür.«
    »Meinst du nicht auch, daß ich mich verbessern könnte?« fragte Joe, entmutigt von der ständigen Kritik seines Vaters und seiner Weigerung, sich auf neue Ideen einzulassen.
    »Zieh lieber den Schwanz ein und bring dich nicht wieder in Schwierigkeiten«, sagte Peter.
    Joe knüllte seine Serviette zusammen. »Ich weiß nicht, warum ich überhaupt hergekommen bin«, sagte er und stand auf. »Tut mir leid, Mama. Danke fürs Essen.«
    »Setz dich!« stieß Rose erregt hervor. »Du gehst nirgendwohin, sondern ißt, was ich für dich gekocht hab.«
    Zornig wandte sie sich an ihren Mann, und Joe sah, daß sein Vater, der gute achtzig Pfund schwerer und ein ganzes Stück größer war als seine Mutter, zusammenzuckte. »Und du, Peter, tätest gut daran, dich einmal hinter deinen Sohn zu stellen, statt ihn für dumm zu halten, wenn er mit einer neuen Idee ankommt. Einer guten Idee! Wenn er ein bißchen mehr Unterstützung bekommen hätte, wäre er vielleicht nie nach Covent Garden gegangen und hätte sich nie mit Tommy Peterson und seiner verdammten Tochter eingelassen!«
    Die ganze Familie schwieg. Zögernd begannen alle wieder zu essen. Ellen legte weiteres Fleisch auf. Cathy aß ohne zu murren ihren Rosenkohl, obwohl sie ihn haßte. Joe goß sich Soße über seine Kartoffeln. Peter säbelte an seinem Lamm herum und sagte dann widerwillig, daß er vielleicht einen Wagen wisse, der zum Verkauf stand. Vielleicht wäre es möglich, daß er eine Kaution stellte, und Joe könnte die Abzahlung von seinem Wochenlohn leisten. Rose tätschelte die Hand ihres Mannes und warf ihrem Ältesten einen aufmunternden Blick zu.
    Der Rest des Essens verlief ohne weitere Zwischenfälle. Danach setzte sich Peter mit Zeitung und Pfeife in seinen Stuhl vor den Kamin und döste ein. Jimmy ging zu seinen Freunden hinaus, und Cathy half ihrer Mutter beim Abwasch. Rose fragte Joe, ob er Lust hätte, einen Spaziergang mit ihr zu machen, bevor er wieder nach Covent Garden ging. Er willigte ein.
    Als sie die Montague Street hinuntergingen, drehte er sich immer wieder zu Fionas Haus um, was seiner Mutter nicht entging. »Dort leben jetzt zwei Familien. Eine unten, die andere oben. Mein Gott, wie ich sie vermisse. Kate war wie eine

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