Die Teerose
hier zu tun haben? Mit einer Collegefeier? Hier geht’s ums Geschäft, das wirkliche Leben, nicht um die Uni. Wir dürfen uns nicht kompromittieren.«
»Sohn, das reicht jetzt!« sagte Will scharf. Er ließ ein paar Sekunden verstreichen, um Will junior Gelegenheit zu geben, sich wieder zu fassen, dann fuhr er in versöhnlicherem Tonfall fort: »Warte, bis du sie kennenlernst. Du wirst sehen, was für ein wundervoller Mensch sie ist, und deine Meinung ändern.«
»Ich habe nicht die Absicht, sie kennenzulernen. Weder jetzt noch in Zukunft«, antwortete Will junior zornig. Er stürmte aus dem Raum, und James und Richard folgten ihm.
Edmund blieb. »Mach dir nichts draus, Vater«, sagte er ruhig.
Will seufzte tief auf. Während des Streits war er aufgestanden, jetzt setzte er sich wieder. »Vielleicht ist es noch zu früh nach dem Tod eurer Mutter.«
»Ach bitte, Vater. Es ist zwei Jahre her, daß Mutter gestorben ist. Sein Problem ist, daß er sich für die Kongreßwahlen aufstellen lassen will. Er hat Angst, daß deine Romanze mit einer jüngeren Frau seine konservativen Wähler verschrecken könnte.«
»Das ist nicht nett von dir, Edmund. Will junior ist ehrgeizig, aber nicht so gefühllos.«
Edmund zuckte die Achseln. »Wenn du meinst. Meiner Ansicht nach ist er total gefühllos.«
»Vielleicht macht er sich wirklich Sorgen wegen des U-Bahnprojekts. Er hat sich voll eingesetzt und großartige Arbeit geleistet. Vielleicht ist er wirklich besorgt wegen der Konkurrenz. Wenn wir doch nur den Vertrag unter Dach und Fach bringen könnten«, sagte Will. »Dann könnte ich ihm beweisen, daß er unrecht hat. Wenn alle Verträge unterzeichnet wären, könnte er keine Einwände mehr vorbringen, hätte nichts mehr, woran er sich stören könnte.«
»Was macht’s schon aus, wenn er Einwände hat, Vater? Laß ihn doch. Was kann er denn tun? Dir deine Bezüge streichen?«
Will schenkte seinem Sohn ein mattes Lächeln. »Nein«, antwortete er, »aber er kann Szenen machen wie gerade eben. Dafür bedeutet ihr mir alle zuviel. Ich will keinen von euch wütend oder unglücklich sehen. Ich muß meine Anstrengungen hinsichtlich des Projekts eben verdoppeln. Sobald wir den Vertrag in der Tasche haben, wird er sich wieder beruhigen, Edmund. Das weiß ich.«
42
B eim Anblick des Hauses in der Montague Street spürte Joe einen Stich im Herzen. Er stand davor und wünschte sich, die Tür ginge auf und sie stünde vor ihm, lächelnd, mit blitzenden blauen Augen, wie an dem Tag, als er sie ins West End eingeladen hatte. Letztes Jahr um diese Zeit lebte er noch in dieser Straße, saß nachts mit seinen Kumpels auf den Hausstufen und träumte von einem Laden und einem Leben mit Fiona. Nur ein Jahr war das her, aber es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.
Er wandte sich ab und ging zu Nummer vier, wo er anklopfte. Sein Vater öffnete ihm. »Sieh an, sieh an, der verlorene Sohn kehrt zurück«, sagte er.
»Schön, dich zu sehen, Vater.«
Peter Bristow warf einen Blick auf den rosafarbenen Nelkenstrauß, den sein Sohn in der Hand hielt, und runzelte die Stirn. »Hättest wenigstens Rosen bringen können. Sie hat sich zu Tode gegrämt deinetwegen. Hat nicht gewußt, wo du steckst. Die Nachbarn haben getuschelt, die Jungs auf dem Markt, angeblich hat dich Peterson rausgeschmissen. All das Geflenne und Gerede, das ich mir deinetwegen hab anhören müssen …«
»Tut mir leid, Vater. Es tut mir leid. In Ordnung?«
Peter schüttelte den Kopf. »Na schön, komm rein. Ich hab schließlich keine Lust, auf der Haustreppe zu Mittag zu essen.«
Joe verdrehte die Augen, folgte seinem Vater nach drinnen und war froh, nicht wieder nach Hause gezogen zu sein. Er wurde stürmisch von seinem sechzehnjährigen Bruder Jimmy begrüßt, von der dreizehnjährigen Ellen, die größer und hübscher war, als er sie in Erinnerung hatte, und von der achtjährigen Cathy, die Zöpfchen und Schürze trug. Dann küßte er seine Mutter, die eine riesige Lammkeule aus dem Backrohr zog. Fast hätte er sie getadelt, als er das sah – Lamm war schließlich furchtbar teuer –, aber sie war so stolz, so erfreut, daß es so gut geworden war, daß er lieber schwieg. Sie sah die Nelken in seiner Hand, machte ein riesiges Theater darum und ließ sie von Ellen in eine Vase stellen. Joe trug den Lammbraten zum Tisch, während sich seine Schwestern um die Kartoffeln und den Rosenkohl kümmerten. Betretenes Schweigen trat ein, als sie sich setzten, bis Cathy sagte:
Weitere Kostenlose Bücher
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Online Lesen
von
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt