Die Teerose
niedergehalten worden und dem der Erfolg zu Kopf gestiegen war. Jetzt sah sie ein, daß er nicht nur von Millie, sondern auch von Tommy Petersons Macht und Geld sowie von seinem eigenen Ehrgeiz verführt worden war.
Ein gutes Leben und Reichtum – das waren Dinge, denen man schwer, fast gar nicht widerstehen konnte. Fiona wußte das, denn auch sie hatte sich von William McClane und dem privilegierten Leben verführen lassen, das er ihr geboten hatte. In den Wochen und Monaten nach ihrer Hochzeit mit Nick war es ihr immer wichtiger geworden, eine Möglichkeit zu finden, Joe zu vergeben, denn sie hatte an sich selbst erfahren, wie schmerzlich es ist, jemanden ungewollt zu verletzen und dafür keine Vergebung zu bekommen. Will hatte ihr nicht verziehen.
Sie zuckte innerlich zusammen bei der Erinnerung an ihr letztes Treffen, das einen Tag nach der Hochzeit in Wills Wohnung stattgefunden hatte. Er war von seiner Geschäftsreise zurückgeeilt, um festzustellen, daß die Frau, die er liebte, die ihm die Ehe versprochen hatte, einen anderen geheiratet hatte. Niedergeschmettert von ihrem Betrug, war er wütend auf sie losgegangen und hatte sie bezichtigt, sein Leben und ihr eigenes zerstört zu haben. Erschöpft ließ er sich danach nieder und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Vor Reue weinend, hatte sich Fiona neben ihn gekniet und versucht, ihm zu erklären, daß sie keine andere Wahl gehabt habe. Daß Nick ins Gefängnis gekommen und abgeschoben worden wäre, was er nicht überlebt hätte. Will hob den Kopf und sagte: »Offensichtlich bedeutet dir Nicholas Soames um einiges mehr als ich.«
Fiona sah ihm in die Augen und antwortete leise: »Ja. Ja, das tut er.« Dann stand sie auf, denn es gab nichts mehr zu sagen, und verließ Wills Haus. Es war das letzte Mal, daß sie ihn allein gesehen hatte. Seitdem hatten sie sich in Theatern und Restaurants getroffen, wo sie sich kurz zunickten oder ein paar höfliche Worte wechselten. Vor fünf Jahren hatte er wieder geheiratet – eine Frau aus seinen Kreisen, eine Witwe in seinem Alter. Soweit Fiona hörte, verbrachte er inzwischen mehr Zeit auf dem Land und überließ die Führung seiner Geschäfte seinen Söhnen James und Edmund. Klatschkolumnisten berichteten von seinen regelmäßigen Reisen nach Washington, wo er seinen ältesten Sohn Will junior besuchte, der zuerst Kongreßabgeordneter und dann Senator wurde und der sich nach Meinung vieler Leute eines Tages um das Amt des Präsidenten bewerben würde.
Fiona hatte es weh getan, Will zu verletzen, aber sie wußte, daß sie niemals hätte anders handeln können. Nick bedeutete ihr alles, und sie hätte es nicht ertragen, ihn zu verlieren. Und obwohl sie keine konventionelle Ehe führten, hatte keine Frau je einen hingebungsvolleren Mann gehabt. Er gab ihr alles, was sie sich von einem Mann wünschen konnte – fast alles.
Es gab Nächte, in denen sie sich in ihrem riesigen leeren Bett hin und her warf und sich wegen ihres Geschäfts, wegen Seamies schlechter Lateinnoten oder Nicks Gesundheit sorgte, wenn sie sich nach jemandem sehnte, der sie festhielt und mit ihr schlief. Und nun, da sie älter wurde, spürte sie noch eine andere Sehnsucht in sich – ein tiefes inneres Sehnen, wann immer sie ein Baby sah. Genau das hatte sie vor zwei Wochen verspürt, als sie die hübsche Clara – Maddies Neugeborenes – in den Armen hielt. Ihr viertes Kind mit Nate. Sie hatte sich so sehr eigene Kinder gewünscht. Vor Jahren hatten Nick und sie einmal darüber geredet, und er hatte ihr gestanden, daß er sich eine Familie mit ihr wünschte und alles getan hätte, um sie zu schwängern, wenn nur seine Krankheit und seine Angst nicht wären, sie anzustecken.
Am Anfang ihrer Ehe, wohl wissend, daß sie sich nach der körperlichen Liebe sehnte, die er ihr nicht geben konnte, hatte er ihr vorgeschlagen, sich einen Liebhaber zu nehmen. »Such dir jemanden, Fee«, hatte er gesagt. »Jemanden, mit dem du ein romantisches Dinner, eine Flasche Wein und das Bett teilen kannst. Du kannst doch nicht den Rest deines Lebens als Nonne verbringen. Dafür bist du viel zu jung.«
Als sie nach einigen Monaten noch immer keinen Liebhaber aufzuweisen hatte, erklärte ihr Nick, daß sie gemäß eines Artikels über die neue Wissenschaft der Psychologie, den er gerade gelesen habe, ihre Triebe sublimiere. Sie antwortete ihm, daß sie keine Ahnung habe, wovon er rede, und daß sie bezweifle, daß es bei ihm anders sei. Worauf er fortfuhr, ihr von
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