Die Teerose
sie eingeschnappt.
»Jedenfalls mehr als du«, sagte er und beugte sich vor, um ihren Hals zu küssen. »Ich weiß, wie ich es anstellen muß, daß du dich genauso gut fühlst, wie ich mich jetzt fühle.«
»Dann hat es sich also gut angefühlt?«
»Mhm.«
»Wie denn?«
Er hob ihren Rock hoch und spielte ein paar Sekunden an ihrem Höschen herum, bevor er die Hand hineingleiten ließ. Er streichelte die Innenseiten ihrer Schenkel und war erstaunt, daß Haut sich so seidig anfühlen konnte, dann fanden seine Finger den weichen, samtigen Spalt dazwischen. Er spürte, wie sie erstarrte. Sie sah ihn mit großen fragenden Augen an. Er hörte ihren Atem schneller gehen, hörte sich selbst, wie er in der Dunkelheit auf sie einflüsterte … und er hörte die Kirchenglocken, die zwei Straßen weiter die volle Stunde schlugen.
»O nein … ach, verdammt!« rief sie und entzog sich ihm. »Ich hab die Zeit vergessen! Es ist schon neun. Meine Mutter bringt mich um. Sie denkt, ich sei ermordet worden. Komm rasch, Joe!«
Schnell ordneten sie ihre Kleider im Dunkeln, sie knöpfte die Bluse zu, und er steckte sich das Hemd in die Hose. Warum mußte es immer so sein? fragte er sich. Warum gab es bloß immer hastige Küsse in einer Gasse oder unten am Fluß im Schlamm?
Fiona jammerte laut und fragte, wie sie ihr Zuspätkommen erklären könnte. Sie rannten zur Montague Street zurück. »Beruhig dich, Fee, du bist zurück, bevor jemand was merkt«, sagte er und gab ihr auf der Treppe einen kurzen Kuß.
»Das hoffe ich. Wenigstens ist mein Vater nicht daheim.« Sie wandte sich zum Gehen, aber bevor sie das tat, sah sie noch ein letztes Mal zu ihm zurück. Er wartete noch, wartete, daß sie im Haus und die Tür hinter ihr geschlossen war, bevor er ging.
»Zwölf und sechs«, sagte sie.
Er lächelte sie an. »Ja, meine Liebste. Zwölf und sechs.«
5
K ate Finnegan sah auf den riesigen Wäschestapel vor sich und stöhnte. Laken, Tischdecken, Geschirrtücher, Blusen, flauschige Nachthemden, Mieder, Unterröcke – sie bräuchte das Geschick eines Schauermanns, um alles in dem Korb zu verstauen. Und welche Mühe, das Ganze auf der Schulter den langen Weg nach Hause zu schleppen.
»Lillie, sag deiner gnädigen Frau, daß sie für so eine Ladung das Doppelte zahlen muß«, rief sie aus Mrs. Branstons Küche.
Lillie, die Magd von Mrs. Branston, eine schlaksige, rothaarige Irin, steckte den Kopf herein. »Ich sag’s ihr, Mrs. Finnegan, aber hoffentlich kriegen Sie’s auch. Sie wissen ja, was für ein Geizkragen sie ist. Trinken Sie eine Tasse Tee, bevor Sie gehen?«
»Das hört sich gut an, aber ich möchte keine Umstände machen.«
»Ach, woher denn«, antwortete Lillie fröhlich. »Die gnädige Frau ist in die Oxford Street zum Einkaufen gegangen. Die kommt eine Ewigkeit nicht zurück.«
»Dann stell den Kessel auf, Mädchen.«
Als sie mit dem Verstauen fertig war, setzte sich Kate an den Küchentisch. Lillie machte Tee, brachte die Kanne und einen Teller Plätzchen, und sie tratschten ausgiebig – Kate über ihre Kinder und Lillie über ihren Verehrer Matt, einen jungen Mann, der in den Commercial Docks arbeitete.
»Kriegt ihr euch denn viel zu seh’n?« fragte Kate. »Wenn du den ganzen Tag hier bist und er auf der anderen Seite vom Fluß?«
»Ach doch, Mrs. Finnegan. Der folgt mir wie ein Schatten in letzter Zeit, seitdem die Sache mit den Morden passiert is. In der Früh bringt er mich auf dem Weg zu den Docks her, und am Abend holt er mich wieder ab. Und ehrlich gesagt, bin ich froh drum. Ich bin bei Dunkelheit nicht mehr gern allein unterwegs.«
»Das kann ich dir nicht verdenken. Eigentlich müßt man doch denken, daß diese Frauen zuviel Angst hätten, ihre Runden zu drehen? Aber Paddy sagt, er sieht sie immer noch draußen.«
»Was bleibt ihnen anderes übrig? Wenn sie’s nicht tun, müssen sie hungern.«
»Pater Deegan hat am Sonntag über die Morde gepredigt«, sagte Kate. »Daß der Sündenlohn den Tod bedeutet und das alles. Ich möcht ja nichts sagen gegen ihn, er ist schließlich der Pfarrer, aber diese Frauen tun mir leid. Wirklich. Manchmal seh ich sie, wie sie betrunken rumschreien und fluchen und völlig fertig sind. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich auch nur eine von ihnen ihr Schicksal ausgesucht hat. Ich glaub, es sind der Suff und die schlechten Zeiten, die sie so weit gebracht haben.«
»Sie sollten hören, was Mrs. Branston dazu sagt«, antwortete Lillie ärgerlich.
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