Die Teerose
gesehen. Lassen Sie uns herumgehen«, schlug er vor und bot ihr den einen Arm, den anderen seiner Frau. »Wir laufen ihm sicher über den Weg.«
Während sie sich zu dritt auf die Suche nach dem Besitzer machten, inspizierten sie den Rest des Untergeschosses, staunten über die große Auswahl an Broten – Charlotte zählte vierzig verschiedene Arten –, die köstlichen Kuchen, die Puddings, die Biskuits, das wundervolle Bassin mit Fischen und Muscheln, den Reichtum an Geflügel und Wild, die wohlgefüllte Fleischtheke, die Fertiggerichte – saftige Terrinen, Salate, Fleischpasteten mit Teiggirlanden und Jagdszenen darauf – und die ungeheure Auswahl an Käse.
Während Fiona fasziniert alles aufnahm, vergaß sie für eine Weile ihre Burton-Aktien, Roddy, Bowler Sheehan und die Brüskierung von Joe. Man konnte sich keine Sorgen machen, während man ein Scheibchen feinen alten Parmesan probierte oder einen Angestellten – nein, einen Spezialisten – über eine Kaffeesorte befragte, die sie noch nie gesehen hatte. Sie war voller Bewunderung für diesen bemerkenswerten Geschäftsmann Barton und ganz ungeduldig, ihn kennenzulernen.
Charlotte entdeckte eine Freundin, ging zu ihr hinüber und plauderte mit ihr. »Ich würde gern in den Tabakladen gehen«, sagte Neville. »Unser Geheimnis, meine Liebe. Charlotte ist gegen meine Raucherei.«
Fiona lachte. Ihre Stimmung hatte sich gebessert. Leute drehten sich nach ihnen um, als sie die große Marmortreppe hinaufstiegen. Einige starrten sie an, weil sie die hübsche, lächelnde Frau an Pearsons Arm nicht kannten. Sie trug ein sommerliches Kleid aus cremefarbenem Seidenmusselin mit Chantilly-Spitze, das in der Taille mit einem schmalen Satinband zusammengezogen war. Der offene Kragen zeigte ihren langen anmutigen Hals, dessen Zartheit durch eine Kette aus Perlen, Opalen und Amethysten noch unterstrichen wurde. Blicke hefteten sich auf sie, angezogen von ihrer Schönheit und dem Elan und Feuer, die sich in allen ihren Gesten ausdrückten.
Oben lief das Geländer nach rechts und links weiter und bildete kleine Einbuchtungen, wo die Leute stehen und nach unten sehen konnten. Fiona begleitete Neville in den Tabakladen, der mit einem Luftbefeuchter ausgestattet war. Neugierig beobachtete sie ihn, wie er verschiedene Zigarren beschnupperte und sie vorsichtig auf ihre Frische überprüfte, bevor er seine Wahl traf. Die Zigarren wurden bezahlt und rasch in der Brusttasche verstaut.
Da Charlotte draußen nirgendwo zu sehen war, gingen sie zum Geländer zurück, um auf sie zu warten. Wieder wurde Champagner gereicht. Ihr erstes Glas hatte Fiona unten stehen lassen, doch inzwischen entspannter, griff sie jetzt zu. Ein attraktiver junger Kellner überreichte ihr eine wunderschöne dunkelrote Rose. »Ein Geschenk unseres Floristen«, sagte er.
»Was für ein Fest«, sagte Neville.
»Ja, wirklich«, stimmte Fiona zu und schnupperte an der Rose. »Was für ein außergewöhnlicher Laden.«
Neville stützte sich auf das Geländer. »Sehen Sie sich bloß all die Leute an. Der Bursche muß ein Vermögen für Champagner ausgegeben haben.«
»Ja, aber das kommt doppelt und dreifach wieder rein, wenn er alle als Kunden gewinnt«, antwortete Fiona und ließ den Blick über die glitzernde, glamouröse Menge schweifen. Es waren Leute mit Geld, prominente Persönlichkeiten. Das schloß sie aus ihren edlen Garderoben und ihrem vornehmen Akzent. Sie wären geblendet von der heutigen Party, würden nach Hause gehen und ihre Haushälterinnen anweisen, bei Montague’s einzukaufen. Was immer der Besitzer jetzt auch ausgab, war nur eine geringe Investition, verglichen mit dem künftigen Profit.
»Sollen wir dem Restaurant einen Besuch abstatten?« fragte Neville. »Es ist im nächsten Stockwerk und soll umwerfend sein.«
»Ja, gehen wir. Ich trink nur noch aus …« Sie brach ab, und ihre Augen, die auf das Gesicht eines Mannes in der Menge gerichtet waren, wurden plötzlich groß.
Das blonde Haar war kurz und ordentlich geschnitten, aber immer noch dicht und lockig. Er trug auch kein fadenscheiniges Hemd, keine Mütze und kein rotes Halstuch mehr, sondern einen Anzug. Ein perfekt geschnittenes graues Jackett und eine Hose. Aber das breite, einnehmende Lächeln war dasselbe. Genau wie die blauen Augen, die an einen weiten Sommerhimmel erinnerten. Er war kein Junge mehr, sondern ein Mann. Der schönste Mann, den sie je gesehen hatte.
Sie hörte eine Stimme in ihrem Innern, die gleiche, die
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