Die Templerin
vierten Attacke Salims hatte sie ihre neue Waffe so gut unter Kontrolle, daß plötzlich beinahe sie es war, die ihn vor sich hertrieb, und nicht umgekehrt. Natürlich kam ihr das nur so vor. Salim war ihr immer noch hoffnungslos überlegen, sowohl an Körperkraft als auch an Gewandtheit, aber auf seinem Gesicht erschien trotzdem ein verblüffter Ausdruck, und als sie nach einer Weile voreinander zurückwichen und ihre Waffen sinken ließen, war er in Schweiß gebadet, und sein Atem ging schnell.
»Vielleicht hätte ich dir dieses Spielzeug doch nicht mitbringen sollen«, keuchte er. »Aber ein paar Tricks kenne ich schon noch.«
Er griff so schnell an, daß Robin erst begriff, was geschehen war, als er sie mit seinem Schild bereits regelrecht gegen einen Baum genagelt hatte. Robin japste überrascht nach Luft, bekam sie aber nur für einen winzigen Moment, weil Salim die Gelegenheit nutzte, seine Lippen auf ihren Mund zu pressen und ihr einen Kuß zu stehlen.
Mit einiger Anstrengung schob sie ihn von sich. »Nennst du das vielleicht einen ritterlichen Kampf?«
»Wenn es dir nicht gefällt, dann wehre dich doch«, grinste Salim. Und das tat Robin. Es gelang Salim noch zweimal, sie so in die Enge zu treiben, daß er ihr einen weiteren Kuß stehlen konnte, aber als er es das dritte Mal versuchte, wich Robin ihm mit einer blitzschnellen Drehung aus und stellte ihm ein Bein, so daß er hilflos auf den Rücken fiel und dann überrascht und erschrocken die Luft einsog, als ihre Schwertspitze seine Kehle berührte.
»Das… war aber nicht besonders ritterlich«, murmelte er.
»Ich bin kein Ritter«, antwortete Robin, »und ich kann auch niemals einer werden. Ich bin eine Frau - schon vergessen?«
»Wie könnte ich«, sagte Salim - aber er tat es mit einem so anzüglichen Grinsen, daß Robin der Verlockung einfach nicht widerstehen konnte, einen langen, blutigen Kratzer an seinem Hals zu hinterlassen, als sie das Schwert zurückzog.
»Du überraschst mich wirklich immer aufs neue«, sagte Salim, nachdem er aufgestanden war, seinen Hals betastet hatte und stirnrunzelnd das Blut betrachtete, das an seinen Fingerspitzen klebte. »Du kämpfst wirklich gut, nicht nur für eine Frau.«
»Ich hoffe, daß ich das Gernot und Otto auch irgendwann einmal beweisen kann«, sagte Robin grimmig.
»Werde nicht übermütig«, warnte Salim. »Es wird noch Jahre dauern, bis du dich mit jemandem wie Gernot messen kannst - oder gar Otto. Du beherrschst die Technik, aber dir fehlt noch viel an Erfahrung, und du bist einfach nicht stark genug.«
»Warum unterrichtest du mich dann, wenn es doch sinnlos ist?« fragte Robin.
»Wer sagt, daß ich dir schon alles beigebracht habe?« fragte Salim. »Greif mich an. Wirklich.«
Robin zögerte zwar eine Weile, aber dann hob sie ihr Schwert, täuschte einen Hieb gegen seine Seite an und drehte die Klinge erst, als er erwartungsgemäß den Schild hochriß. Sie war darauf vorbereitet, den Angriff im letzten Moment abzubrechen, wenn das Schwert durch seine Dekkung drang, denn schließlich wollte sie ihn nicht verletzen. Aber ihr Schwert drang nicht durch seine Deckung. Es kam ihm nicht einmal nahe. Salim tat… irgend etwas, und plötzlich flog ihr Schwert im hohen Bogen davon, und schon im nächsten Moment fand sich Robin hilflos auf dem Rücken liegend vor, und Salim stand über ihr und setzte ihr seine Schwertspitze an den Hals.
»Was… war das?« murmelte sie verblüfft.
Sie las in Salims Augen, daß er für einen Moment ernsthaft versucht war, es ihr heimzuzahlen und ganz versehentlich auch ihre Kehle zu ritzen, aber dann zog er das Schwert im Gegenteil sehr vorsichtig zurück und half ihr, aufzustehen.
»So kämpfen wir in meiner Heimat«, sagte er. »Auch wir kämpfen mit dem Schwert, aber nicht so brutal und plump wie ihr. Kraft allein bedeutet nichts. Auch der Schwache kann den Starken durchaus besiegen. Selbst mit bloßen Händen. Wenn du willst, bringe ich es dir bei… Willst du?«
»Ja«, antwortete Robin. »Natürlich!«
»Was für eine Frage«, sagte Salim - zwar in scherzhaftem Ton, aber er blieb trotzdem ernst. »Aber es würde Jahre dauern. Manche brauchen ein Leben, um die Kunst der Schattenkrieger zu erlernen.«
»Schattenkrieger?«
Salim ignorierte ihre Frage. »Uns bleiben keine Jahre, sondern nur wenige Wochen. Ich werde dich in dieser Zeit so viel lehren, wie ich kann. Es wird vielleicht reichen, um dich am Leben zu erhalten.«
Seine Worte zerrissen die Illusion
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