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Die Templerin

Die Templerin

Titel: Die Templerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fähig, stehenzubleiben oder auch nur langsamer zu laufen. Keuchend erreichte sie den nächsten Absatz, griff nach dem Treppengeländer und sprintete die Stufen hinab. Hinter ihr schienen Tobias und der maskierte Verfolger einen bizarren Totentanz aufzuführen. Blitze zuckten in immer rascherer Folge und tauchten die Treppe in einen Wechsel aus grellem Licht und vollkommener Schwärze, so daß die beiden Männer zu verschwimmen und manchmal zwei, manchmal drei Stufen weiter unten aufzutauchen schienen, wie Dämonen, die aus ihrem Gefängnis im tiefsten Schlund der Hölle ausgebrochen waren.
    Sie hatte fast die Hälfte des Weges nach unten zurückgelegt, als der Maskierte Tobias einholte. Er stieß ihn einfach zur Seite, als hätte er gar kein Interesse an ihm. Tobias prallte gegen das Treppengeländer, streckte aber trotzdem die Hand aus und krallte sich in den Mantel des Maskierten.
    Der Mann riß sich los, kam ins Stolpern und verlor endgültig das Gleichgewicht, als Tobias sich auf ihn warf. Die beiden Männer stürzten aneinander geklammert die Treppe herunter.
    »Lauf!« brüllte Tobias noch im Fall. »Versteck… dich!«
    Ein weiterer Blitz zuckte auf, und Robin sah das rasche, silberne Schimmern von Stahl, dann hatte sie die nächste Treppe erreicht und jagte sie hinunter, so schnell sie nur konnte. Über ihr erscholl ein Schrei, dann polterten schwere Schritte. Robin jagte wie von Furien gehetzt weiter, erreichte die nächste Treppe und wieder die nächste. Endlich hatte sie das Erdgeschoß und somit den Ausgang erreicht. Vom Schwung ihrer eigenen Bewegung getragen, jagte sie hinaus in den peitschenden Regen. Kalter Schlamm spritzte unter ihren Füßen auf. Sie strauchelte, riß schützend die Hände vor das Gesicht und stolperte beinahe blind weiter. Es war vollkommen dunkel geworden. Das blau schimmernde Weiß der fast ununterbrochen zuckenden Blitze brach sich in den niederprasselnden Regenschleiern und verwandelte sie in dicht gewobene Vorhänge aus Silber, hinter denen alles verschwand, das weiter als drei oder vier Schritte entfernt war. Sie konnte keines der anderen Gebäude der Komturei sehen. Selbst der Turm, aus dem sie gerade gestürmt war, war zu einem Schemen verblaßt, der im fast regelmäßigen Auflodern der Blitze erschien und wieder verschwand.
    Der Angreifer war verschwunden. Vermutlich befand er sich nur noch wenige Schritte hinter ihr, konnte sie aber im Toben der entfesselten Naturgewalten so wenig sehen wie sie ihn. Sie mußte in Bewegung bleiben. Laufen. Sich irgendwo verstecken. Bruder Tobias’ Opfer durfte nicht umsonst gewesen sein.
    Sie rannte jetzt nicht mehr mit verzweifelter Kraft weiter, sondern fiel in einen langsameren und - wie sie hoffte - kräftesparenden Trab. Sie würde nicht mehr lange durchhalten. Ihr Herz hämmerte. Ihre Lungen brannten bei jedem Atemzug, und sie schmeckte schon wieder ihr eigenes, bitteres Blut. Ihre Glieder schienen sich in Blei verwandelt zu haben. Wenn sie vor Erschöpfung zusammenbrach, dann würde der Mann sie finden und zu Ende bringen, was er oben im Turm angefangen hatte. Der Hof schien viel größer geworden zu sein, als sie ihn in Erinnerung hatte. Robin stolperte durch den eisigen Regen, sah sich wieder gehetzt um und betete, daß sie endlich auf eine Mauer stoßen würde, eine Tür, Menschen.
    Statt dessen prallte sie jählings mit der Schulter gegen rauhen Stein, riß erschrocken die Arme in die Höhe und kippte nach vorne, während ihre Hände ins Leere griffen. Sie schlug schwer auf dem festgestampften, aber trockenen Boden auf, rollte keuchend auf die Seite und sah im flakkernden Licht der Blitze, daß sie den Hof auf ganzer Länge überquert hatte. Fünf Meter über ihrem Kopf erhob sich das gemauerte Gewölbe des Torbogens.
    Robin stemmte sich mühsam in die Höhe. Sie war so schwach, daß sie mit beiden Händen an der Wand Halt suchen mußte, um nicht sofort wieder zu stürzen. Trotzdem schob sie sich Schritt für Schritt weiter an der Wand entlang. Sie hatte Angst, das Bewußtsein zu verlieren, und ihrer allerersten Erleichterung, vermeintlich in Sicherheit zu sein, folgte eine rasche und um so größere Ernüchterung.
    Sie war alles andere als in Sicherheit. Ganz im Gegenteil. Der Mörder konnte es sich nicht leisten, lange nach ihr zu suchen. Wenn er ihre Spur auf dem vom Regen aufgeweichten Hof verloren hatte, dann würde er die Komturei verlassen - und zweifellos durch genau dieses Tor. Sie hatte sich selbst in eine tödliche

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