Die Templerverschwoerung
den Mann an.
»Tut mir leid. Ich glaube, Sie verstehen nicht. Das wäre von keinerlei Nutzen für Sie. Ich bin bereit, die Fotokopieeiner Organisation, die Sie vertreten, auszuhändigen, aber natürlich erst, wenn ich meine Arbeit daran beendet habe.«
Das Lächeln im Gesicht des Mannes verschwand.
»Ich will es Ihnen leichtmachen. Legen Sie das Matshafa LaSeyon Tabota einfach in die Tasche.«
»Wer sind Sie?«, fragte Kaleb. Seine Stimme klang ruhig, er blickte ungehalten wegen der Störung, aber kein bisschen eingeschüchtert. Woher, um alles in der Welt, kannte der Mann diesen Titel? Wieso sprach er die Wörter so perfekt aus? Jetzt fiel ihm die kleine Anstecknadel am Jackett seines Gegenübers auf. Fieberhaft arbeitete sein Gedächtnis. Das Kreuz und die Abbildungen, von denen es umgeben war. Aber natürlich, wieso war er nicht gleich darauf gekommen?
»Mein Name tut nichts zur Sache. Bewegen Sie sich und machen Sie, was ich sage.«
»Tut mir leid«, sagte der Professor noch einmal, schob seinen Stuhl zurück, erhob sich und wandte sich dem Mann zu. »Sie haben kein Recht, hier hereinzuschneien und mich oder meine Studenten einzuschüchtern. Wenn es einen legitimen Grund dafür gibt, dass Sie die Fotokopie in Augenschein nehmen, dann wenden Sie sich nach den Ferien an das Zentrum für Afrikanische Studien. Ich bin sicher, dort kann man etwas arrangieren.«
Jetzt holte der Fremde die rechte Hand hinter seinem Rücken hervor. Darin hielt er eine große Pistole, eine Ruger Mark II aus matt glänzendem Edelstahl mit einem Schalldämpfer aus demselben Material. Die Waffe hatte ein Zehn-Schuss-Magazin und eine weitere Kugel im Patronenlager. Er hob sie und richtete sie über den Tisch auf Jessica. Sie öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, erstarrte aber, als die Pistole ein leises Geräusch hören ließ und Jessicas Gesicht ein Loch aufwies, das dessen Ebenmäßigkeit für immer zerstörte.Es schien größer zu werden und färbte sich hellrot. Jessica fiel nach hinten und krachte mitsamt dem Stuhl zu Boden. Ihr langes Haar umschwebte sie wie ein Schleier. Alle Gedanken an Plumpudding und Sex mit ihrem Freund verflüchtigten sich wie Gespenster von gestern.
Kaleb glaubte, wieder die großen Trommeln, die Stimmen der Diakone, das Singen der Priester und die Schreie der Engel zu hören. Er musste zusehen, wie der Mann João, Moshe, Henok, Sisay, Biniyam und Bezawit niederstreckte. Die letzten versuchten davonzukriechen, aber er versperrte ihnen den Weg zur Tür. Er war schneller als sie und auf alles vorbereitet. Sie dagegen hatten nur an Weihnachten und die kommenden Wochen gedacht, von einem Leben in Schönheit, Reichtum und Jugend geträumt, das noch vor ihnen lag. Eine Kugel in den Kopf, und einer nach dem anderen ging zu Boden. Nur die Engel schrien auf in Agonie. Für diese Toten kam jetzt eine Nacht ohne Ende.
Zuletzt wandte sich der Mann Kaleb zu. Der Professor fragte sich, wie lange sie brauchen würden, um die Bundeslade zu finden und was sie mit ihr anfangen wollten, wenn sie sie in ihrem Besitz hatten.
»Tut mir leid, Professor«, sagte der Fremde. »Sie hätten es ihnen nicht verraten dürfen. Wären sie unwissend geblieben, hätten sie noch lange leben können. So aber habe ich sie nicht verschonen können. Und Sie kann ich auch nicht verschonen.«
Kaleb schaute in die Mündung der Pistole. Die Hand des Mannes zitterte nicht. Der Professor war tot, ehe das Geräusch der Waffe ihn erreichte.
Der Fremde packte die Fotokopie in die Tasche und legte die Pistole an ihren Platz in dem Metallkoffer zurück. Dann erledigte er den Rest seiner Aufgabe und umrundete gemessenenSchrittes den Tisch. Mit einem Blick prüfte er, ob alles so war, wie es sein sollte. Am Ende ging er zum Altar und ließ dort ein Stück Papier zurück. Jemand hatte darauf geschrieben: Nossa Senhora da Arca, rogai por nós . Er schlüpfte in seinen Mantel und öffnete die Tür. Ein Schwall kalter Luft schlug ihm entgegen, das Gewimmel der Passanten und die Geräusche des Verkehrs ergriffen wieder Besitz von ihm. Niemand sah ihn herauskommen und fortgehen. Er schritt in die Dunkelheit hinaus und begab sich zum nächsten Stiftshaus, wo er Quartier genommen hatte. Im Weggehen begegnete er einem Mann, der seinerseits die Kirche betrat. Sie nickten einander zu. Es schneite noch immer.
6. KAPITEL
Conor O’Davoren ärgerte sich. Es war Freitagabend, und er hatte gerade Cambridge verlassen wollen, um zur Hochzeit eines Freundes
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