Die Templerverschwoerung
Ring um ihre Brust.Ein sicherer Ort? Polizeischutz? Jetzt trat sie wohl in eine andere Welt ein.
»Sie haben die Aktentasche mitgebracht«, sagte sie. »Ich habe Sie aus gutem Grund gebeten, sie mir zu reichen. Es ist wichtig. Geben Sie schon her.«
Er zögerte einen Moment, zuckte dann die Achseln und gab ihr die Aktentasche. Es war ein elegantes Stück von Radley mit viel Platz darin. Als Mariyam sie in die Hand nahm, bestätigte schon das Gewicht ihre Befürchtung. Sie öffnete sie und schaute hinein. Ein paar Blatt Papier, die Times vom Vortag und ein halbes Sandwich, das sie für die Fahrt gekauft und vergessen hatte.
»Sie ist weg«, sagte sie. »Sie war hier drin. Ein vollständiges Exemplar. Jemand hat sie gestohlen.«
12. KAPITEL
London
Gregory Oliver, US-Bürger und CIA-Angehöriger, Ehemann von Rafaela, Vater von Chris und James, Antonia und Elisabete, kehrte nach einem harten Tag in den Schoß seiner Familie in Hampstead zurück. In Cambridge war es kalt gewesen, und er hatte einen unangenehmen Auftrag zu erfüllen, der ihm sehr in die Knochen gefahren war. Aber nach dem Vespergottesdienst in der Kapelle von King’s College war er wieder ganz der Alte. Er hatte sich über all das erhoben, Trost in Gott und der Mission gefunden, der sein Leben geweiht war. Wie sooft hatten nur die Sirenen der Polizeifahrzeuge, die die Trinity Street und St. John’s Street hinaufrasten, seine Meditation gestört. Aber die ätherischen Stimmen der Chorknaben hatten ihn verzaubert und ihm geholfen, die blutigen Bilder zu verdrängen, die noch durch seinen Kopf geisterten. Nur ein strenges Pflichtbewusstsein und das Gefühl wahrer Aufopferung hatten ihn bisher das alles ertragen lassen.
Seine Familie lebte in London, doch er war seit zwei Jahren an der Botschaft in Addis Abeba stationiert. Heute hier zu sein war ein Geschenk außer der Reihe, bevor er wieder fort musste, zunächst nach Syrien und dann zurück nach Äthiopien. Dass er einen Tag später schon wieder Lebewohl sagen musste, war eines der Opfer, die er für die Sache brachte, und gewiss nicht das letzte. Er liebte Frau und Kinder, aber seine Stellung in der Organisation verlangte von ihm, persönliche Dinge hintanzusetzen.
Rafaela, Tochter einer seit langem in New Bedford ansässigenFamilie, war er in der Highschool begegnet. Sie waren zusammen nach Yale gegangen und hatten einen Tag nach ihrem Studienabschluss geheiratet. Er war bei der CIA eingestiegen und sie im Verlagswesen. Als freie Lektorin arbeitete sie von zu Hause für Buchverlage und Zeitschriften, wo immer dieses Zuhause war. Dann kamen die beiden Jungen zur Welt, dunkelhaarige Zwillinge mit blitzenden Augen und hitzigem Temperament. Sie hatte ihre Arbeit reduziert, um sich voll der komplexen Aufgabe der Kindererziehung widmen zu können. Die Jungen waren nun schon fünfzehn, ein bisschen wild, aber intelligent und von einnehmendem Wesen. Sicher würden sie in seine Fußstapfen treten, wenn die Zeit gekommen war. Die Mädchen folgten einige Jahre später. Antonia war jetzt sieben und Elisabete acht. Auch sie verhießen viel für die Zukunft: Hübsch wie kleine Nymphen, mit langen schwarzen Locken, Stupsnäschen und Wangen wie die Engel auf den Fresken in seiner Kirche zu Hause. Er vergötterte sie, verehrte sie mit einer Heftigkeit, die ihm fast blasphemisch vorkam. Da er so oft von ihnen getrennt war und bereits am nächsten Morgen wieder fort musste, nutzte er alle Zeit mit ihnen, um ihnen zu gefallen und sie zu verwöhnen. Rafaela hatte ihm schon oft gesagt, dass die Kinder nach jedem seiner Besuche kaum zu bändigen waren, ständige Aufmerksamkeit verlangten, ins Bett machten und von der Mutter forderten, ihnen wieder und wieder die Geschichten vorzulesen, die er ihnen mitgebracht hatte. An diesem Abend las er ihnen aus Büchern vor, die er in Cambridge gekauft hatte, aber zuerst beglückte er sie mit einem Computerspiel, das ihm am Morgen in Heffers Buchhandlung aufgefallen war.
»Es ist ein Städtespiel«, sagte er zu ihnen, die schon aufgeregt vor ihm saßen, gespannt auf die Leckereien und Schmeicheleien,die nun kommen mussten. Er hatte sich kaum Zeit genommen, Rafaela einen Kuss zu geben oder mit ihr zu sprechen. Die Hände hatte er sich im Zug von Cambridge gründlich gewaschen. Kein Fleckchen Blut war daran geblieben. Seine Arbeit brachte er nie mit nach Hause. Das Heim war ihm heilig – ein Ort der Ruhe und Erholung, ein Ort des Glaubens, unbefleckt von Blut und Schmerzen, die so
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