Die Templerverschwoerung
seinem Haus an.
» Balna mist? «, fragte er. Er wollte wissen, ob sie Mann und Frau seien. Nach kurzem Überlegen nickte sie und sagte: »Natürlich. Er ist mein Ehemann.« Das klang wie eine Verkündigung, ein Segen. Würde sie nun zu seiner Witwe werden, wenn er starb? Zum zweiten Mal Witwe, verlassen von einem Mann, den sie nie geheiratet hatte?
Tage und Nächte schienen ineinander verwoben und wechselten rasch. Mariyam verließ den kleinen Raum nur selten, um für sie selbst etwas zu essen und für Conor Ambo-Mineralwasser zu holen. Am dritten Tag erlangte er das Bewusstsein wieder, sprach aber nicht. Der nächste Arzt war in Mekele, doch Mariyam wollte nicht riskieren, ihn so weit zu transportieren, selbst wenn sie dafür einen Jeep hätte auftreiben können.
In Berahile gab es eine kleine Kirche, wo Mariyam auf einen Dabtara stieß, einen alten Mann, der Kranke mit Magieund Kräutern heilte. Seine Verbindung zur Kirche erlaubte es ihm, mit Amuletten und magischen Papyri spirituelle Kräfte zu beschwören. Die Kräuter allein wollte er nicht anwenden, sondern bestand darauf, dass sie ohne das Ritual wirkungslos seien. Sie schickte sich drein und fand sogar etwas Tröstliches in dieser Tradition, denn sie hatte sie als Kind oft erlebt, zweimal sogar am eigenen Leibe.
Der Mann hieß Asrey Asgedum und war neunundsiebzig Jahre alt, zumindest glaubte er das. Ihr schien er aber viel jünger, was sie zu der Hoffnung veranlasste, dass seine Kräuter eine Wirkung haben könnten. Oder seine Zauberei.
Der Wunderheiler erklärte Mariyam, jemand habe Conor mit dem Bösen Blick verhext. Sie sagte ihm, ihm sei mit einem schweren Gegenstand auf den Kopf geschlagen worden. Darauf erwiderte er, das sei lediglich der materielle Ausdruck des Bösen Blicks gewesen.
Sie gab ihm eine Menge Geld, für das er ein Kamel kaufte, ein kleines Weibchen, das keine Jungen mehr bekam. Sie trugen Conor auf einen freien Platz hinter der Hütte, betteten ihn dort auf einer Pritsche und zogen ihn nackt aus. Asrey stellte das Kamel direkt neben ihm auf und schnitt ihm mit einem langen Messer und einer einzigen Bewegung die Kehle durch. Das Tier wankte und sank in die Knie. Asrey fing eine große Menge Blut in einer Schüssel auf, die er zu diesem Zweck mitgebracht hatte. Mit dem Blut wusch er Conor von Kopf bis Fuß. Dann trugen sie ihn ins Haus zurück. Asrey und ein Mann aus der Stadt transportierten das Kamel an einen Ort, wo man Tiere schlachtete. Dort zog ihm Asrey die Haut ab, schnitt sie in drei Streifen, die er zu einer einzigen Rolle von Conors Körperlänge zusammennähte. Darauf schrieb er Wörter und zeichnete Symbole – die Figuren von Heiligen und Engeln sowie von Dämonen, die er austreiben wollte.
Erst als das vollbracht war, behandelte er Conor mit Kräutern. Zuvor las er im Matshafe Fews , dem Buch der traditionellen Medizin. Mariyam fragte ihn nach den Namen der Kräuter, während er sie in einem hölzernen Mörser mit einem steinernen Stößel zerkleinerte. Er wollte ihr die Namen nicht nennen. Er übe eine geheime Kunst aus, und wenn er jemandem enthülle, welche Kräuter er benutze, so erklärte er ihr, dann verlören sie ihre Wirkung.
Sie erinnerte sich, wie ihre Mutter sie stets zum Schweigen gebracht hatte, wenn sie zu viele Fragen stellte. Nach etwas direkt zu fragen war nicht die Art der Äthiopier.
Nun erschien Asrey dreimal am Tag bei seinem Patienten, brühte einen frische Kräutersud auf, verabreichte ihn Conor, beobachtete ihn und wartete. Er erklärte, er werde ihn wieder gesund machen. Auch ihm sagte Mariyam, Conor sei ihr Ehemann, weil sie befürchtete, dass er alles andere missbilligen würde. Wenn Conor nicht bei Bewusstsein war, ängstigte sie sich. Sie hatte vor ihm Geliebte gehabt und sich ein-, zweimal selbst für verliebt gehalten. In einem Fall war sie sich ganz sicher gewesen und hatte den Mann namens Damiachew geheiratet, weil er sie so sehr liebte, dass sie befürchtete, er werde sonst sterben. Sie hätte gern mit ihm zusammengelebt, aber Liebe kann auch Kummer und Tränen bringen. Wie viele Tränen und wie großen Kummer, das sollte sie sehr bald erfahren.
Für ihre Hochzeitsreise hatten sie und Damiachew Jordanien erwählt, das mit einem kurzen Flug von Addis Abeba zu erreichen ist. Sie hatte sich schon immer die gelblichen Ruinen von Petra und die Wüste Wadi Rum anschauen wollen, wo man den Film Lawrence von Arabien gedreht hatte. Damiachew war Archäologe, und zum Besuch einer historisch
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