Die Teppichvölker: Roman (German Edition)
Richtung Orkson-Hütte, und Snibril hörte ihn stöhnen. Das Stammesoberhaupt rutschte vom Rücken des Rosses und ging mit langsamen Schritten auf sein Heim zu.
Beziehungsweise auf die Reste seines Heims.
Die übrigen Munrungs unterbrachen ihre aufgeregten Gespräche und wichen respektvoll zurück. Ein recht dickes Haar war gefallen und hatte an der entsprechenden Stelle die Palisade unter sich zermalmt. Seine Spitze reichte über die Trümmer der Orkson-Hütte hinaus. In dem Durcheinander aus geborstenen Balken und zerfetztem Reet ragte wie trotzig der Türrahmen auf. Bertha Orkson kam mit den Kindern und warf sich Glurk in die Arme.
»Pismire hat uns aus der Hütte geholt, bevor das Haar fiel«, schluchzte sie. »Was sollen wir jetzt tun?«
Er klopfte ihr geistesabwesend auf die Schulter, doch sein Blick galt auch weiterhin der zerstörten Hütte. Schließlich kletterte er über den Trümmerhaufen und sah sich um.
Die Menge war so still, daß alle von Glurk hervorgerufenen Geräusche laute Echos bewirkten. Es klirrte, als er nach einem Topf griff, der die Katastrophe wie durch ein Wunder unversehrt überstanden hatte. Langsam drehte er ihn hin und her, starrte so darauf hinab, als sähe er ihn nun zum erstenmal. Dann hob er das Ding hoch über den Kopf und schleuderte es zu Boden.
Anschließend schüttelte er die Faust und fluchte. Er fluchte bei den Haaren, bei den dunklen Höhlen von Unterlage, bei den Dämonen des Bodens, beim Schußfaden und bei der Kette. Er brüllte die Unaussprechlichen Worte und schrie den Schwur des Schlichten Retwatshud, der angeblich Knochen brach, was Pismire jedoch für Aberglauben hielt.
Die Flüche segelten durch den Abend, krochen an den Haaren hinauf, erreichten die Ohren interessiert zuhörender Geschöpfe der Nacht. Sie stapelten sich aufeinander, bis sie eine Säule des Schreckens formten.
Als Glurk schwieg, zitterte die Luft. Er ließ sich auf ein Trümmerstück sinken, saß dort mit hängenden Schultern und verbarg das Gesicht hinter den Händen. Niemand wagte es, sich ihm zu nähern. Die anderen Munrungs wechselten bedeutungsvolle Blicke, und einige hasteten davon.
Snibril stieg ab und trat zu Pismire, der etwas abseits stand und seinen Ziegenledermantel trug.
»Die Unaussprechlichen Worte hätte er nicht sagen sollen«, murmelte der Schamane wie zu sich selbst. »Natürlich ist alles nur Aberglaube, was jedoch nicht unbedingt bedeutet, daß es dafür keinen Platz in der Realität gibt. Oh, hallo! Du hast überlebt, wie ich sehe.«
»Wodurch wurde das hier verursacht?«
»Man nennt ihn den Schrecklichen Scheuerer«, antwortete Pismire.
»Ich dachte, das sei nur eine alte Geschichte, weiter nichts.«
»Selbst alte Geschichten können Wahres enthalten. Ich bin sicher, der Scheuerer steckt dahinter. Zuerst die Veränderungen des Luftdrucks … Die Tiere spürten ihn, so wie's geschrieben steht in …« Pismire unterbrach sich kurz. »Hab's irgendwo gelesen«, fügte er hinzu.
Er blickte an Snibril vorbei, und seine Miene erhellte sich.
»Du hast ein Pferd.«
»Ich glaube, es ist verletzt.«
Der Schamane schritt zum Roß und untersuchte es. »Ein Dumii-Hengst«, sagte er. »Jemand soll meinen Kräuterbeutel holen. Etwas hat das Pferd angegriffen – siehst du das hier? Keine sehr tiefe Wunde, aber sie sollte behandelt werden. Ein prächtiges Tier. Ja, wirklich prächtig. Und es saß kein Reiter drauf?«
»Wir sind ein ganzes Stück dem Verlauf der Straße gefolgt, ohne jemanden zu sehen.«
Pismire strich übers glatte Fell. »Wenn man das ganze Dorf mitsamt seinen Bewohnern verkauft … Der Erlös dürfte gerade genügen, um ein solches Pferd zu bezahlen. Wem auch immer der Hengst gehörte – er lief schon vor einer ganzen Weile weg. Alles deutet darauf hin, daß er einige Tage allein in der Wildnis unterwegs war.«
»Die Dumii lassen nicht zu, daß man irgendwelche Dorfbewohner verkauft«, wandte Snibril ein. »Sie haben die Sklaverei verboten.«
»Ich wollte damit nur sagen, daß dieses Pferd eine Menge wert ist«, erklärte Pismire.
Er summte leise vor sich hin, während er die Hufe betrachtete.
»Ich weiß nicht, woher es kommt, aber eins steht fest: Jemand hat den Hengst geritten.«
Der Schamane ließ das Bein los und warf einen Blick zu den Haaren. »Etwas hat ihn erschreckt. Nicht der Scheuerer – immerhin ist er schon vor einigen Tagen fortgelaufen. Räuber kommen wohl kaum in Frage, denn sie hätten sich das Pferd geschnappt. Und sie
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