Die Teppichvölker: Roman (German Edition)
aufragte. Die dicke Staubschicht auf dem Boden verschluckte alle von Rolands Hufen verursachten Geräusche, und der Teppich wurde dichter. Snibril fühlte seine Unermeßlichkeit. Das Dumii-Reich umfaßte nur einen Teil des Teppichs, und diese Tatsache veranlaßte den jungen Munrung, sich zu fragen: Wenn die von den Dumii konstruierten Straßen zu fernen Orten führte – wohin mochte man dann gelangen, wenn man dem Verlauf dieses alten Pfads folgte?
Manchmal, an stillen Abenden, nahm er irgendwo Platz, um die Straße zu beobachten. Die Munrungs waren viel unterwegs, aber meistens immer in der gleichen Gegend. Und die Straße blieb ständig gegenwärtig. Pismire sprach von Orten wie Läufer, Kamin und Rand. Wie seltsam diese Namen klangen … Der Schamane war überall gewesen und hatte Dinge erblickt, die Snibril nie sehen konnte. Er erzählte gute Geschichten.
Mehrmals glaubte Snibril, andere Hufe in der Nähe zu hören. Oder stammte das Pochen vielleicht von schwarzen Pranken? Offenbar spürte auch Roland etwas, denn er trabte schneller und schien jederzeit zu einem Galopp bereit zu sein.
Zwischen den Haaren hatte sich Staub zu kleinen Hügeln angesammelt, und dort wuchsen Farne, die einen würzigen Duft verströmten. Eine Zeitlang wand sich der Pfad wie ziellos zwischen den Staubhügeln hin und her – bis er sich zu einer Lichtung dehnte, am südlichen Rand von Holzwand.
Das gewaltige Gebilde war vor vielen Jahren vom Himmel gefallen, maß einen Tagesmarsch in der Länge und eine Wanderstunde in der Breite. Ein unvorstellbares Feuer hatte die Hälfte davon verkohlt. Snibril entsann sich an Pismires Schilderungen: Angeblich gab es in fernen Bereichen des Teppichs ein oder zwei ähnliche Objekte. Der Schamane hatte in diesem Zusammenhang eine Dumii-Bezeichnung benutzt und von Streichhölzern gesprochen.
Pismire wohnte in einem Schuppen unweit des alten Holzbruchs. Vor der Tür lagen mehrere Töpfe. Einige halbwilde Ziegen sprangen fort, als Roland die Lichtung erreichte. Von dem Schamanen war weit und breit nichts zu sehen, und das galt auch für sein Pony.
Aber an der Höhle hing ein frisch gegerbtes Snarg-Fell. Und jemand lag auf einigen Farnwedeln neben einem kleinen Feuer, den Hut tief ins Gesicht gezogen. Es war ein hoher Hut, der einst blau gewesen sein mochte, doch die Zeit hatte ihn in einen formlosen rauchgrauen Filzhaufen verwandelt.
Die Kleidung erweckte den Eindruck, als hätte sie sich auf der Suche nach Wärme am Körper der Gestalt angesammelt. Ein zerlumpter Mantel diente als Kopfkissen.
Snibril ließ Roland im Schatten der Haare zurück und zog sein Messer. Er schlich zu dem Schlafenden und streckte die Hand, um den Hut mit der Messerspitze anzuheben.
Es kam zu jäher Aktivität, die damit endete, daß Snibril flach auf dem Rücken lag und das eigene Messer an der Kehle spürte. Kaum eine Nasenlänge trennte ihn vom braunen Gesicht des Fremden.
Der Mann öffnete langsam die Augen. Er erwacht jetzt , dachte Glurks Bruder. Meine Güte, er hat mich überwältigt, während er schlief.
»Mhmm?« murmelte der Fremde. »Oh, ein Munrung. Harmlos.« Er stand auf.
Snibril hatte es so eilig, empört zu sein, daß er die Furcht vergaß.
»Harmlos!«
»Nun, im Vergleich zu solchen Wesen.« Der Fremde deutete zu dem Fell. »Pismire meinte, vielleicht käme einer von euch hierher.«
»Wo ist er?«
»Er wollte nach Tregon Marus. Müßte bald zurück sein.«
»Wer bist du?«
»Nenn mich Bane.«
Er war sauber rasiert und hatte so glatte Wangen, wie man sie nur bei Dumii-Jungen sah. Das lange rotblonde Haar bildete einen Zopf, der ihm den Rücken hinabreichte. Was manche Aspekte betraf, schien er kaum älter zu sein als Snibril, doch in seinem Gesicht zeigte sich eine gewisse Härte, die auf viele Erfahrungen hinwies und von einem Lächeln gemildert wurde. Am Gürtel hing ein recht gefährlich wirkendes Kurzschwert, und ein Speer lag in der Nähe.
»Ich bin Moulen gefolgt«, sagte er. Als er die Verwirrung in Snibrils Miene sah, fügte er hinzu: »Wesen aus den Ungekehrten Gebieten. Ziemlich scheußliche Biester. Reiten auf den Geschöpfen dort.«
Einmal mehr deutete er zu dem Fell.
»Hattest du keine Angst vor den Augen?«
Bane lachte und ergriff seinen Speer.
Und dann traf Pismire ein. Der langgliedrige Schamane ritt auf die Lichtung, und seine Beine zu beiden Seiten des Ponys berührten fast den Boden. Der Alte war nicht überrascht, als er Snibril sah.
»Tregon Marus ist gefallen«, sagte
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