Die Terranauten 015 - Der Clan der Magier
nickte unwillkürlich. »Ortung?« fragte sie mit einem Blick zu Morgenstern.
Der magere Mann drehte seinen Sessel fort von den Steuerkontrollen und wandte sich den Ortungsgeräten zu. Der Diskus schwebte jetzt bewegungslos am Himmel und jede Abweichung wurde sofort vom Bordcomputer berichtigt. Die Monitore der Taster flammten auf. Rasternetze bewegten sich. Dort!
Morgenstern zuckte zusammen. Ein Reflex. Das mußte der Ashra sein.
»Kontakt in minus vierzig Sekunden«, erklärte er.
Sirdina begann wortlos Anweisungen in den Terminal zu tippen.
Die Lautsprecher begannen erneut zu arbeiten. Ihr Lärm blendete die Zopten. Im Schutz des Lärmsturms konnte der Ashra sein Ziel unentdeckt erreichen. Mit ausgebreiteten Flughäuten schwebte er nun über der Ebene von Neuzen Vrest und während Sirdina die Ortungsmonitoren beobachtete, fragte sie sich, was der Ashra – in diesem Moment wohl denken mochte.
Unter ihm befanden sich jene Wesen, die die Hälfte seines Schwarmes und viele andere Schwärme der Ashras ausgelöscht hatten.
Trieb ihn jetzt Haß und Rachsucht?
Sirdina bedauerte, nicht zu wissen, was Cloud mit Deschmarn-Drag besprochen hatte.
Als die Lautsprecher abrupt verstummten, wechselte auch das optisch-akustische Bild am Himmel.
Die Gestalten der Weltenmörder, der Ungeheuer von der Größe des Mount Everest, verblaßten. Statt dessen schwebte nun dort die tausendfach vergrößerte Holo-Gestalt des Ashra. Jedes Detail seines Körpers war deutlich zu erkennen, jede seiner Bewegungen wurde ohne Verzögerung nachgeahmt.
Und unten auf der Ebene, in diesem Chaos panikerfüllter Gestalten, begriffen einige Zopten. Vranten Storrz zum Beispiel sah in diesem Moment nicht zum erstenmal einen Ashra. Einige andere Leihmänner ebenfalls nicht. Sie ahnten, was folgen würde, und die Furcht in ihren Herzen war kalt wie Gletschereis.
Deschmarn-Drag begann zu sprechen.
Ein unsichtbares Kehlkopfmikrofon nahm die Worte des Ashra auf, übermittelte sie über Funk dem Computer der MIDAS-Zwei, der sie in das zoptische Idiom übersetzte und über die Schallinduktoren in alle Richtungen verbreitete.
Es war genau so, wie es die zurückkehrende Invasionsarmee berichtet hatte.
Zehntausend unsichtbare Münder hingen in der Luft, Myriaden Schreie, die sich zu einem einzigen Ruf verbanden. Jeder verstand die Worte. Niemand konnte sich ihnen entziehen. Sie wirkten lähmend, erzeugten Angst und auch Zorn, Verzweiflung und Hoffnung.
»Ich bin ein Ashra, Zopten«, sagte Deschmarn-Drag und seine Stimme pfiff wie ein Sturmwind über das Land, trommelte in den Ohren der Pilger, der Bewohner von Neuzen Vrest. »Ich komme vom Südland weit hinter dem Meer. Wir Ashras sind die Bewohner des Südens seit Anbeginn der Welt. Wir kannten keinen Haß, keine Kriege. Wir lebten in Frieden. Doch dann kamen Schiffe vom Meer, zoptische Schiffe, und aus ihren Bäuchen quollen Soldaten. Die Ashras leben auf den Bergen, Zopten nahe den Wolken, wo niemand von euch wohnen möchte, aber eure Soldaten folgten uns und töteten uns.«
Die Stimme Deschmarn-Drags war hart geworden. Die Zopten duckten sich und viele hörten nun zum erstenmal, was wirklich dort im Süden vorgefallen war.
»Viele Schwärme starben, Zopten. Viele Ashras fanden den Tod. Stellt euch vor, Zopten, man nimmt euch eure Frauen, eure Söhne und Töchter, Brüder und Schwestern, eure Freunde und Nachbarn. Stellt euch vor, Zopten, man tötet sie. In wenigen Atemzügen sind alle kalt und stumm. Stellt euch das vor, Zopten, und ihr wißt, was uns Ashras angetan wurde.«
Stille. Nur kurz, aber dafür so tief wie ein Black Hole.
»Zopten«, donnerte Deschmarn-Drag und aus ihm sprach die Stimme seines Volkes, »wir wissen, daß dieses Morden nicht euer Wille war. Wir wissen, daß die meisten von euch ahnungslos sind, daß euch niemals gesagt wurde, welches Ziel diese Flotte hatte. Aber wir kennen die Schuldigen unter euch, Zopten. Es sind die Leihmänner, die die Flotte ausgerüstet und mit Waffen versorgt, diesen Plan geschmiedet haben. Es sind die Loren, die den Leihmännern die Soldaten zur Verfügung stellten.
Und ich schwöre ihnen Rache. Sie sind des Todes, wenn sie das Südland noch einmal betreten. Sie werden sterben wie die Männer und Frauen meines Schwarms gestorben sind. Loren und Leihmänner, ihr seid die Feinde der Ashras. Von heute bis in alle Ewigkeit.
Aber ihr, Zopten, ihr, die man euch betrogen und ausgenutzt hat, seid ohne Schuld. Ich biete euch den Frieden an. Ich biete
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