Die Terranauten 034 - Der Renegat
achtzehn Monate hatten er und die Mitglieder seiner Loge auf Aqua in Haft verbracht. Und nun, als sie endlich geglaubt hatten, diese schwere Zeit ein für allemal vergessen zu können, befanden sie sich erneut in einem Gefängnis der Grauen Garden.
»Ich fürchte, hier kommen wir überhaupt nicht wieder raus«, sagte Urs Ursus dumpf.
Der von einer Welt mit 1,6 g stammende Treiber war ein wahrer Bulle von einem Mann. Die ständige Gefangenschaft traf ihn ganz besonders schwer, konnte er doch in engen, geschlossenen Räumen seine enormen Körperkräfte nicht austoben. Immer wieder behauptete er, daß er spürbar an Muskelschwund zu leiden habe. Aber das stimmte wohl doch nicht so ganz. Er war immer noch in der Lage, mindestens vier seiner Leidensgenossen gleichzeitig in die Luft zu heben, ohne sich dabei auch nur im geringsten anzustrengen.
Gunther V. kommentierte diese Worte seines Freundes mit einem bösen Auflachen.
»Gib dich keinen Illusionen hin, Urs! Wir kommen hier wahrscheinlich schneller wieder raus, als uns lieb ist!«
Stirnrunzelnd sah ihn Urs Ursus an. Er verstand nicht, was Gunther damit gemeint hatte. Im Denken war er ein bißchen schwerfällig.
»Als uns lieb ist?« wiederholte er zweifelnd.
»Genau!« bekräftigte Gunther V. »Ich könnte mir lebhaft vorstellen, daß uns die Ärzte der Grauen in kürzester Zeit mittels einer kleinen Operation unsere PSI-Kräfte nehmen. Hier, auf einer Welt wie Tamerlan, dürften dafür im Gegensatz zu Aqua die medizinischen Möglichkeiten vorhanden sein. Warum sollte es uns anders gehen als fast allen unseren Brüdern und Schwestern im großartigen terranischen Sternenreich?«
Urs Ursus wurde sichtlich blasser. »Das … Das wäre ja entsetzlich! Ich glaube nicht, daß ich eine solche Operation überleben würde.«
Alle verstanden, was er damit sagen wollte. Urs Ursus meinte mit seiner Bemerkung nicht, daß ihn die Operation das Leben kosten würde. Physisch bestand bei einem chirurgischen Gehirneingriff kaum Gefahr. Wie es nach der Operation jedoch mit der Psyche aussah, war eine ganz andere Frage. Für einen Treiber, der zeit seines Lebens daran gewöhnt war, mit mehr Sinnen zu arbeiten als der normale Durchschnittsmensch, bedeutete eine Amputation dieser zusätzlichen Sinne einen kaum zu verkraftenden Verlust. Es gab viele Treiber, die es vorzogen, lieber zu sterben.
»Malt die Ungeheuer aus Weltraum II doch nicht gleich an die Wand«, schaltete sich Ariane terWilson ein. »Es ist ja durchaus möglich, daß man uns nur so lange festhält, bis der Rückflug nach Aqua vorgenommen wird.«
Die hübsche Blondine mit der wohlproportionierten Figur war schon immer ein Optimist gewesen. Auch im Kuppelgefängnis der aquanischen Metropole Middlehaven hatte sie stets Zuversicht verbreitet. Berechtigte Zuversicht, wie sich nach langem Warten schließlich herausgestellt hatte. Aber ob ihr Optimismus hier auf Tamerlan ebenfalls Früchte tragen würde?
Immerhin schaffte es die junge Treiberin, die düsteren Wolken der absoluten Hoffnungslosigkeit ein kleines bißchen aufzuhellen. Larissa Wong, die zartgliedrige Eurasierin, meldete sich ebenfalls zu Wort.
»Und selbst wenn die Grauen wirklich böse Absichten mit uns haben sollten. Da ist ja immer noch Lle …«
Den Namen »Llewellyn« brachte sie nicht mehr heraus.
Gunther V., der etwa zwei Meter neben ihr auf der Bank saß, stürzte sich auf sie. Er schlang die Arme um sie und verschloß ihr mit einem Kuß den Mund.
»Du hast ja so recht, Larissa«, sagte er laut, als er sie wieder freigab. »Selbst wenn die Grauen Böses mit uns vorhaben, dann bleibt uns immer noch unsere Liebe!«
Leicht verblüfft starrte ihn die mandeläugige Treiberin an. Gunther sprach in so enthusiastischer Art von Liebe? Unter anderen Umständen hätte sie sich äußerst glücklich geschätzt, denn sie empfand für den durchtrainierten Treiber mit den markanten Gesichtszügen schon seit längerer Zeit mehr als jene kameradschaftliche Zuneigung, die unter Logenmitgliedern üblich war. In der gegenwärtigen Situation jedoch …
Dann begriff sie plötzlich. Natürlich, Gunther hatte sie im letzten Augenblick daran gehindert, den Namen des Riemenmanns auszusprechen. Ärgerlich auf sich selbst biß sie sich auf die Unterlippe.
Wie konnte sie nur so einfältig sein! In einem Gefängnis der Grauen besaßen die Wände Ohren – im wahrsten Sinne des Wortes. Mit Sicherheit wurde jedes Wort, das sie miteinander sprachen, durch versteckte Mikrophone
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