Die Terranauten 034 - Der Renegat
»Trotzdem würde mich interessieren, wieso …«
»Wer ist Centurio Anja Lidice?« fragte der Präsident dazwischen.
Unwillkürlich blieb Argan Pronk stehen. Erstaunen zeichnete sich in seinem Gesicht ab.
»Wieso fragen Sie mich das?«
»Es gibt jemanden in Newlan Bator, der die Frau kennt. Der vermutlich genau weiß, wer sie wirklich ist. Und wissen Sie was, Argan? Mir kommt Ihr Centurio auch merkwürdig bekannt vor. Ich habe ein vorzügliches Personengedächtnis und möchte fast wetten, daß ich mich nicht irre.«
»Na, dann lassen Sie doch mal hören«, erwiderte Argan Pronk leichthin. »Wer ist unser Centurio denn?«
»Kein Centurio jedenfalls, sondern eine Queen von Spitzenrang!«
Pronk ächzte leicht. »Woher wollen Sie das wissen?«
Temudschin fuhr mit der Zunge über sein rechtes Bartende. »Ah, ich merke schon, daß ich mich tatsächlich auf der richtigen Spur befinde. Mein Gedächtnis trügt mich also nicht. Ich habe die Frau gesehen. Bei der Feier im Palast Growan terGordens – an der Seite von Lordoberst Max von Valdec!«
»Der Schlangenhai hole mich!« stieß Argan Pronk hervor.
»Es stimmt also«, konstatierte der tamerlanische Präsident.
Pronk wußte, daß es wenig Zweck hatte, jetzt mit irgendwelchen Ausflüchten zu kommen. Sein spontaner Ausruf hatte ihn verraten.
»Ja, es stimmt«, gab er zu und ging mit langsamen Schritten weiter den Kiesweg entlang.
Sofort war Fedor Tamerlan wieder an seiner Seite. Seine düstere Miene wirkte jetzt noch düsterer.
»Was für ein Spiel spielen Sie hier, Argan?« fragte er mit einer gewissen Schärfe. »Ich blicke nicht durch. Sie im Bunde mit einer Queen des Kaiser-Konzerns, die unter falscher Identität auftritt? Das paßt doch irgendwie nicht zusammen!«
Wieder blieb Argan Pronk stehen. »Und wenn … Anja Lidice keine Graue mehr ist?«
»Einmal ein Grauer, immer ein Grauer«, zitierte Temudschin eine Weisheit, die längst zum geflügelten Wort im gesamten terranischen Sternenreich geworden war.
»Keine Regel ohne Ausnahme«, antwortete der Gouverneur von Aqua mit einer anderen Binsenweisheit.
Sekundenlang sagte er kein Wort, blickte nur grübelnd auf den roten Kies zwischen seinen Füßen. Dann gab er sich einen Ruck.
»Eine Frage ganz im Vertrauen, Fedor!«
»Ja?«
»Hat sich Ihre Gesamteinstellung seit den Tagen von Ultima Thule irgendwie geändert?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Sie sind immer noch der Ansicht, daß das terranische Konzil der Totengräber der menschlichen Zivilisation ist?«
»Ja«, sagte Fedor Temudschin, ohne zu zögern. »Und wenn Sie sich zwischenzeitlich auf die Seite des Lordobersts geschlagen haben Sollten, dann können sie ja jetzt ein paar Graue rufen, um mich wegen hochverräterischer Äußerungen festnehmen zu lassen!«
Argan Pronk mußte sich zusammennehmen, um dem anderen Mann nicht um den Hals zu fallen. Er begnügte sich jedoch damit, dem Präsidenten kameradschaftlich auf die Schulter zu schlagen.
»Ich wußte doch, daß ich mich in Ihnen nicht getäuscht habe, Fedor«, sagte er aus vollem Herzen.
Und dann machte er Fedor Temudschin mit allem vertraut, was auf Aqua geschehen war und welchen Zweck sein Flug nach Tamerlan tatsächlich hatte.
Mit allergrößter Aufmerksamkeit und wachsender Spannung hörte der Tamerlaner zu. Als Pronk zum Ende gekommen war, zeigte er sich sichtlich beeindruckt.
»Ich muß Ihnen gratulieren, Argan«, sagte er. »Sie haben etwas geschafft, wovon ich bereits seit Jahren träume. Sie haben das Joch des Konzils abgeschüttelt. Das ist echt beneidenswert!«
»Ich bin sicher, Sie könnten das auch schaffen«, gab Pronk zurück. »Wenn alle Tamerlaner zusammenhalten …«
»Keine Chance, mein Freund, keine Chance. Tamerlan ist nicht Aqua. Es würde hier nicht möglich sein, alle Grauen in eine raffinierte Falle zu locken und dadurch auszuschalten. Es gibt zu viele Graue bei uns. Und Cosmoral Hanka ist, ich muß das leider sagen, eine ausgezeichnete Kommandeuse. Alle Bürger Tamerlans hätten gegen sie und ihre Truppen nicht den Hauch einer Chance.«
»Und wenn die Terranauten auf Ihrer Seite stehen und Ihren Kampf unterstützen?«
Resigniert winkte Fedor Temudschin ab. »Die Terranauten? Machen wir uns doch nichts vor, Argan! Die PSI-Begabten sitzen längst im Gefängnis der Garden. Sie sind dort völlig hilflos, denn ihre Zelle wird natürlich durch einen Anti-PSI-Schirm gesichert. Und Ihre Ex-Queen Mandorla? Auch sie wird sich nicht mehr lange in Freiheit befinden.
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