Die Terranauten 042 - Der Sammler
tiefen Seufzer aus. Schön dumm von ihr, daß sie sich nicht wieder angezogen hatte, bevor sie eingeschlafen war!
Eingeschlafen?
Mit einem Schlag kehrten die Erinnerungen zurück.
Irgend etwas hatte sie plötzlich gestochen oder gebissen.
Und sie war keineswegs eingeschlafen, sondern bewußtlos geworden!
Erschrocken preßte Suzanne den Handrücken vor den Mund – und spürte mit ihren Lippen eine leicht angeschwollene, verkrustete Stelle in der Nähe des Zeigefingerknöchels.
Panik überfiel sie.
Wenn sie von einem Tier – möglicherweise einem giftigen Insekt – angegriffen worden war, warum hatte Aschan Herib ihr dann nicht geholfen?
War Aschan vielleicht das gleiche oder sogar etwas Schlimmeres zugestoßen?
»Aschan! Aschan!«
Suzanne wandte sich nach links und tastete nach dem Körper des Mittlers. Tatsächlich lag er noch genau da, wo er sich zu dem Zeitpunkt befunden hatte, als Suzanne bewußtlos geworden war.
Suzannes Finger glitten über Aschans Haut, die sich kühl und feucht anfühlte. Die Feuchtigkeit schien durch den schweren, nassen Nebel verursacht worden zu sein.
Aschan Herib rührte sich nicht.
Suzanne schluchzte auf. Einen Augenblick lang glaubte sie, daß ihr Geliebter tot war – tot sein mußte. Die völlige Reglosigkeit, die Kälte der Haut schien keinen anderen Schluß zuzulassen.
Suzannes Finger tasteten sich höher, hin zu Aschan Heribs Gesicht. Und plötzlich spürte sie etwas Hartes, Knorriges, das auf unheimliche Weise aus Aschans Kinn zu wachsen schien.
Bevor Suzanne zurückzucken konnte, bewegte sich der knorrige Auswuchs!
Suzanne schrie in jähem Entsetzen auf, als sich das fremdartige Ding blitzschnell von Aschan löste, sich mit einem feinen Sirren in die Luft erhob und nur Millimeter an ihrem Gesicht vorbeiflog. Augenblicke später hatte der Nebel das Geschöpf verschluckt.
Die junge Terranautin zitterte am ganzen Körper. Hilflos schlug sie die Hände vor dem Gesicht zusammen. Tränen traten in ihre Augen.
Das Geschöpf war nichts anderes gewesen als ein Traumhaken – und dieser Traumhaken hatte Aschan Herib getötet.
Ein leises Stöhnen brachte Suzanne Oh in die Wirklichkeit zurück.
»… So kalt …«
Ungläubig beugte sie sich vor, legte ihre Hände wieder auf Aschans Körper. Und diesmal fühlte sie, wie ein schwaches Beben durch den eiskalten Körper des Mittlers ging.
Ohne nachzudenken, tastete Suzanne den schwammigen Boden rings um sich herum ab, fand Aschans Jacke und warf sie dem zitternden Mittler über.
»Es ist alles in Ordnung«, flüsterte sie mit halberstickter Stimme, während sie Aschan mit ihrem eigenen Körper zu wärmen versuchte. Und dann noch einmal, ganz so, als spräche sie zu einem kleinen Kind, das sich vor der Dunkelheit fürchtete: »Alles ist in Ordnung. Es wird alles wieder gut.«
Sie sollte sehr bald merken, daß keineswegs alles in Ordnung war.
*
»Fassen wir zusammen«, sagte Aschan Herib düster. Beim Sprechen klapperten seine Zähne immer wieder unkontrolliert aufeinander. Suzanne befürchtete, daß der Mittler sich durch die extreme Unterkühlung möglicherweise eine Lungenentzündung zugezogen hatte. Sein Körper war immer noch kalt, aber seine Stirn begann jetzt langsam fiebrig zu glühen.
Und Antibiotika gab es auf Sarym nicht.
»Wir können davon ausgehen«, fuhr Aschan halblaut fort, »daß beide Seerosenquallen von Traumhaken überfallen worden sind. Wären Lyda, Damon und Ennerk nämlich nicht gleichfalls während der letzten Stunden bewußtlos gewesen, dann hätten sie keine Schwierigkeiten gehabt, uns mit ihrer Seerosenqualle zu folgen und uns vielleicht sogar zu helfen. Aber das war offensichtlich nicht der Fall. Wie wir feststellen mußten, befindet sich die andere Seerosenqualle weder in Sicht-, noch in Rufweite. Wobei die Sichtweite bei diesem verrückten Nebel ohnehin minimal ist.«
Suzanne und Onnegart Vangralen nickten nachdenklich. Vangralen hatte den Überfall nicht einmal bemerkt, weil er bereits tief und fest geschlafen hatte. Suzanne hatte ihn nur mit einiger Mühe überhaupt wachbekommen können.
»Wie lange waren wir eigentlich bewußtlos?« erkundigte sich die junge Terranautin heiser. Der Schock saß ihr immer noch in allen Gliedern, und erkältet war sie obendrein.
Aschan Herib zuckte die Achseln. »Genau kann ich es natürlich nicht sagen«, erwiderte er, »aber ich würde schätzen … Nun, etwa sechs bis zehn Stunden. Und das bedeutet, daß wir inzwischen gut
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