Die Terranauten 042 - Der Sammler
einhundertfünfzig bis zweihundert Kilometer zurückgelegt haben mögen. Wenn sich die Seerosenqualle mit unseren Freunden in entgegengesetzter Richtung bewegt haben sollte, dann sind wir jetzt rund vierhundert Kilometer von ihnen entfernt. Aber es können natürlich auch zehn, fünfzig oder hundert Kilometer sein, und das in jede beliebige Himmelsrichtung. Woraus folgt, das wir die anderen mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr wiederfinden werden – selbst dann nicht, wenn der Nebel sich lichtet.«
»Wieso in entgegengesetzter Richtung?« erkundigte sich Onnegart Vangralen irritiert. »Als du vorhin Kontakt mit unserer Seerosenqualle aufgenommen hast, hast du doch herausgefunden, daß wir uns nach wie vor geradewegs nach Süden bewegen. Warum sollte das für die andere Seerosenqualle nicht auch zutreffen?«
»Weil der Befall durch die Traumhaken den Zweck gehabt haben muß, uns zu trennen«, erwiderte Aschan Herib mit erzwungener Ruhe.
Suzanne starrte ihn an wie ein Gespenst. »Wie bitte?«
»Denk doch mal nach …« Aschan begann, die Argumente, die für seine Hypothese sprachen, an den Fingern aufzuzählen. »Normalerweise dauert ein Befall fünf Minuten. Dieser hier hat möglicherweise zehn Stunden gedauert. Der Befall ist wie ein generalstabsmäßiger Angriff erfolgt. Zumindest wir drei wurden völlig synchron befallen. Bei einem gewöhnlichen Befall erleben Mittler wie ich Visionen. Diesmal nicht. Ich bin einfach bewußtlos geworden, genau wie ihr. Und das alles läßt nur einen einzigen Schluß zu: Entweder sind die Traumhaken entgegen allen bisherigen Annahmen intelligente Wesen, oder aber sie werden von intelligenten Wesen gesteuert. Und diese Intelligenzen wollten uns nichts antun, sondern uns nur ganz einfach aus dem Weg haben – um die andere Seerosenqualle und damit Lyda, Damon und Ennerk in ihre Gewalt bringen zu können!«
Onnegart Vangralen beugte sich aufgeregt vor. Mit einer beiläufigen Handbewegung scheuchte er den neugierig näher hüpfenden Vogel beiseite.
»Die unheimliche Macht, die schon so viele von euch Surinen entführt hat!« stieß der stämmige Terranaut hervor. »Sie hat uns die ganze Zeit über beobachtet und will jetzt verhindern, daß wir zusammen die Korallenstadt auf dem Südkontinent erreichen!«
Aschan Herib nickte. »Richtig. Wenn wir Lyda, Damon und Ennerk wiedersehen wollen, müssen wir zur Korallenstadt und das Geheimnis von Sarym enträtseln. Nur so können wir vielleicht erfahren, was mit unseren Freunden geschehen ist.«
Die Mikrofone im Kopf des schwarzen Vogels übertrugen auch diese Worte ohne merkliche Zeitverzögerung in die Geheimstation, wo gerade in diesem Augenblick der junge Techniker eine Visiophonverbindung zu seinem obersten Vorgesetzten herstellte. Er war so nervös, daß er sich zweimal vertippte, bevor es ihm schließlich gelang, die richtige Ziffernkombination in das Visiophon einzutasten.
Und diese Nervosität war nur zu gut verständlich.
Schließlich wußte der Techniker ja, daß die Traumhaken keineswegs von der Macht gesteuert wurden, die auch für das Verschwinden einer großen Zahl von Surinen verantwortlich war. Die Einheiten, die jene Surinen auswählten, einfingen und transportierten, die in die Geheimstation gebracht werden sollten, wurden von dem Terminal aus kontrolliert, an dem er gerade jetzt, in diesem Moment, saß.
Von ihm selbst.
Und die Befehle dazu kamen von jenem Mann, dessen Gesicht nun auf dem mattglänzenden Bildschirm oberhalb des Terminals sichtbar wurde.
Die Ermittlung der Position der Terranauten-Basis Rorqual war plötzlich unwichtig geworden.
Jetzt ging es vorrangig darum festzustellen, ob es wirklich noch eine andere, bisher unbekannte Machtgruppe auf Sarym gab.
Natürlich konnte sich Aschan Herib auch in diesem Punkt geirrt haben – aber seine Schlußfolgerungen hatten verdammt logisch geklungen.
*
Der Sammler:
Ich bin am Ziel.
Dort, dicht vor mir, schwebt meine Ursprungswelt in der unendlichen Schwärze des Weltalls – ein bunter, pulsierender Fleck, dessen Schönheit ich besingen möchte, solange ich existiere.
Besingen in einem Lied voller Freude – und voller Melancholie.
Erst jetzt, da ich heimkehre, begreife ich eine simple Wahrheit: Ich, der ich geschaffen worden bin, um in die erstaunlichsten Regionen der Galaxis vorzustoßen, habe inmitten all jener Wunder und Schrecken nie eine wirkliche Heimat gefunden. Nur dieser nach kosmischen Maßstäben unbedeutende
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