Die Terranauten 052 - Die Irrfahrt der Somasa
schossen wirre Gedankenfetzen durch seinen Kopf. Ihm war, als lege sein verschüttetes Unterbewußtsein in diesem Augenblick etwas frei, das er früher einmal gewußt und vor langer Zeit vergessen hatte.
Ein Tal … Merkwürdige grüne Blumen, deren Blätter große Löcher aufwiesen … Die Umrisse einer halbverfallenen Burg … Ein riesiger. Mammutbaum, dessen Äste über hundertfünfzig Meter in einen purpurnen Himmel hineinragten … Und da war ein Mädchen, eine schlanke, anmutige Gestalt … Er hatte ihr Gesicht gesehen, und doch erinnerte er sich nur noch an einen verwaschenen Fleck …
Es hatte zwar menschlich gewirkt, war aber dennoch voller Fremdartigkeit gewesen.
Der alte Glencannon zeigte David die Karte. Er deutete mit seinen Greisenfingern auf eine Stelle im Norden, die – wenn der Maßstab stimmte – etwa tausend Kilometer von ihrem jetzigen Standort entfernt war. Die aufgemalten Zacken, die einen Gebirgszug symbolisierten, sagten anhand der neben ihnen stehenden Zahlen aus, daß dieses Felsgebilde weit niedriger war als das, welches sie gerade durchquert hatten.
Glencannon zeigte auf ein Tal, das ziemlich genau im Mittelpunkt des Gebirges lag, und sagte: »Vor fünfzig Jahren, als ich mich einer weitaus besseren Gesundheit erfreuen konnte, bin ich in diesem Gebiet gewesen. Ich machte dort mit einigen Freunden, von den leider keiner mehr am Leben ist, eine Jagdpartie. In diesem Tat, das wir ›Das Tal der Grünen Blumen‹ nannten …«
David zuckte zusammen. Er hatte eine Spur!
»… sahen wir ein paar Menschen, die bei unserem Auftauchen im Gemäuer einer alten Ruine verschwanden und erst wieder zum Vorschein kamen, nachdem wir uns zurückgezogen hatten.«
Glencannon und seine Freunde hatten die Fremden zwar nur kurz aus der Nähe sehen können, aber der Anblick hatte ihnen vollauf genügt, um zu der Überzeugung zu gelangen, daß es sich bei diesen scheuen und zurückgezogen lebenden Wesen um Intelligenzen handeln mußte, die zwar humanoid wirkten, keinesfalls aber von der Erde oder einem anderen Planeten des Sternenreiches stammten.
»Könnten es nicht Umweltangepaßte gewesen sein?« warf Farrell ein. »Immerhin kamen die ersten Schiffe schon vor zweihundertfünfzig Jahren nach Rorqual …«
Glencannon lächelte fein. »Ich weiß nicht, wie lange Sie sich hier aufhalten, junger Mann, aber ich kann Ihnen versichern, daß ich noch keinen Menschen getroffen habe, der sich an Rorqual angepaßt hätte. Ganz im Gegenteil: Diese Welt hat sich bisher immer noch den einzelnen Menschengruppen und ihren Bedürfnissen angepaßt.«
»Das deckt sich mit unseren Erkenntnissen«, murmelte David bedeutungsvoll.
Aber der alte Glencannon hörte ihm bereits nicht mehr zu. Er hatte die Augen geschlossen und war in das Reich eingekehrt, aus dem es keine Wiederkehr mehr gibt, keine körperliche jedenfalls. Nicht nur David mußte beim Anblick des friedlich entschlafenen alten Mannes an die Invasion der Banshees denken.
*
Es vergingen zwei Tage. Man dichtete notdürftig den aufgerissenen Gondelboden ab, brachte mit Hilfe von Seilen Wasser- und Nahrungsvorräte an Bord der SOMASA und beobachtete aus luftiger Höhe, wie die die Festung umgebende Landschaft immer schneller andere Formen annahm. Die Ebene, die zu jener Zeit, als Maris nach Süden aufgebrochen war, tot und ausgetrocknet gewirkt hatte, prangte jetzt in hellem Grün. Junge Tulpenbäume waren aus dem Boden geschossen und glänzten in alter Pracht. Auf den Feldern wogte goldgelber Weizen, und er wuchs mit einer solchen Geschwindigkeit, daß man ihn bei seiner Tätigkeit förmlich beobachten konnte. Die Dörfler kehrten nach und nach heim, und der Himmel, der wochenlang nichts als ein kaltes, stumpfes Grau und violette Nebelbänke für sie bereitgehalten hatte, klarte wieder auf. Die zartrosa Färbung, die er nun annahm, führte dazu, daß es überall sproß und blühte. Rorqual war zu einem Lebensrhythmus übergegangen, der für seine Bewohner keine Schrecken mehr bereithielt. Die um sich greifende Wärme zersetzte die letzten Wolkenfelder und ließ die Menschen wieder freier atmen.
Für die Besatzung der SOMASA kam schließlich die Stunde des Abschieds. Man hatte eine Spur und wollte sie weiterverfolgen, solange die Zeit noch reichte. Es galt allerdings auch, Abschied von einigen Männern zu nehmen, die sich während der Luftreise wacker geschlagen hatten, denn eine ganze Reihe von ihnen äußerte jetzt den Wunsch, abmustern zu dürfen. Die
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