Die Terranauten 071 - Der Jahrmillionen-Fluch
das Blut durch den Körper pressen. Anstelle einer Lunge sind da nur einfache Membranen, in denen der Sauerstoff ausgefiltert wird, während ein unkomplizierter Blasebalg die Luft hindurchpumpt. Das macht mich wenig anfällig für gewisse Krankheiten. Beispielsweise werde ich niemals einen Herzinfarkt erleiden.«
Abermals fehlte nur noch das Grinsen, das zu diesen Worten gepaßt hätte.
Chan de Nouille sagte: »Und wie sahen diese Baahrsans aus, deren Untergang wir vorhin miterlebt haben?«
Der Genessaner blieb die Antwort schuldig. Er schien verblüfft zu sein.
»Die Baahrsans?« echote er auf einmal. Seine Stimme klang ganz neutral, aber das hatte wenig zu bedeuten. Chan de Nouille wußte, daß er jede Stimmlage willkürlich erzielen konnte. Ohne Schwierigkeiten hätte er beispielsweise ihre eigene Stimme nachahmen können – ohne daß ein Computer jemals in der Lage gewesen wäre, einen Unterschied festzustellen.
»Ja, die Baahrsans«, bestätigte Chan de Nouille triumphierend. Sie hatte es zum ersten Mal geschafft, den Außerirdischen zu verunsichern.
Wieso eigentlich?
Indem sie den Nagel auf den Kopf getroffen hatte?
Waren die Baahrsans vielleicht die Vorfahren aller Lebewesen auf Genessos? Warum umgab Cantos seine Heimatwelt mit einem solchen Schleier des Geheimnisses?
»Eine interessante Theorie, an der Sie da basteln«, meinte Cantos ruhig. »Glauben Sie das wirklich?«
»Warum nicht?«
»Sie sagten selbst, daß wir den Untergang der Baahrsans gesehen haben – vorhin, als die Galaxis starb.«
»Vielleicht gelang diesen Wesen rechtzeitig die Flucht?«
Cantos winkte ab. Eine Geste, die er den Menschen abgeguckt hatte. »Ein fruchtloses Thema, Chan de Nouille. Es nutzt nichts, wenn ich leugne, weil Sie mir nicht glauben würden. Es nutzt auch nichts, daß ich etwas zugebe, was im Grunde genommen unsinnig ist. Also lassen wir besser das Thema.«
Ich habe ihn dort, wohin ich ihn haben wollte, dachte die Große Graue. In seiner Unsicherheit hat er sich verraten.
Die Baahrsans! Ich weiß von ihnen nur, daß sie im vollkommenen Einklang mit der Natur gelebt haben und daß sie in der untergegangenen Milchstraße beheimatet waren. Und sonst?
Einklang mit der Natur? Der normalen Natur oder auch der Wechselbeziehung mit Weltraum II? Weist Cantos nicht auf die angebliche Natürlichkeit der Treiber hin? Auch sie leben in Wechselbeziehung mit dem unverständlichen anderen Weltraum …
Chan de Nouille gab es auf und hob sich diese Gedanken für später auf. Sie hatte anscheinend alles über Cantos erfahren, was dieser bereit war zu erzählen, denn er machte keine Anstalten, weitere Erklärungen zu seiner Person zu liefern.
Die Fronten waren endgültig abgesteckt – in jeglicher Beziehung. – Sie wußten beide, was sie voneinander zu halten hatten.
Zwei grundverschiedene Wesen mit einem gemeinsamen Auftrag, wie es schien. Obwohl die Große Graue noch immer sehr wenig darüber wußte.
Cantos hatte ihr den Untergang einer Milchstraße gezeigt. War das noch nicht genug? Was stand denn noch alles auf dem Programm? Eine Steigerung war kaum möglich, fand Chan de Nouille.
*
»Es ist soweit – wieder mal!« sagte Cantos nach längerem Schweigen, das unerträglicher war als die ständigen Streitigkeiten zwischen ihnen. Doch die Große Graue hatte das Schweigen ebensowenig unterbrochen wie er. Als würden beide vor dem großen Sturm ruhen wollen. Ein Sturm, der sich zwischen ihnen beiden abspielen würde.
Irgendwie fühlte die Große Graue sich müde. Gern hätte sie den Streit mit Cantos aufgesteckt, aber es war ihr nicht möglich, ihm gegenüber ihre Abneigung zu verbergen. Flüchtig dachte sie an seine Bemerkung mit David terGorden und ärgerte sich wieder.
Die Wände verschwanden. Chan de Nouille saß in einem Sessel, der sich ihren Körperkonturen angepaßt hatte. Ein groteskes Bild, denn der Sessel war unsichtbar geworden. Somit schwebte sie sitzend im Nichts des Weltraums.
Am liebsten wäre sie aufgesprungen, aber dann setzte sich in ihrem Kopf der wahnwitzige Gedanke fest, daß sie durch eine schnelle Bewegung davonfliegen würde in die Unendlichkeit des Universums, daß sie sich darin für immer verlieren würde.
Sie erwischte sich dabei, daß sie sich krampfhaft an dem unsichtbaren Sessel festhielt, als müßte er ihr Halt geben. Sie begann zu schwitzen und konnte nichts dagegen unternehmen. Das weckte ihren Zorn und verschleierte ihren Blick.
Die Stimme von Cantos brachte sie in die
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