Die Terranauten 071 - Der Jahrmillionen-Fluch
grünen, einäugigen Weihnachtsmannes, wie?«
»Gern würde ich mit Ihnen plaudern, wie ich es gewohnt bin, aber ich erzählte Ihnen schon von meiner ausgeprägten Anpassungsfähigkeit. Manchmal gerät sie zum Fluch. Tut mir leid, aber mein Benehmen entspricht genau Ihrem Charakter, dem ich mich lediglich angeglichen habe – ohne allerdings Ihre Perfektion erreichen zu können.«
Chan de Nouille lehnte sich zurück und begann, schallend zu lachen. Cantos ließ sie gewähren.
Es dauerte eine Weile, bis sie sich beruhigt hatte. »Ich finde die Begegnung einfach köstlich. Das war schon lange mal fällig. Sie sind hier am Drücker, und ich bin die Gefangene. Sie können mit mir tun und lassen, was Sie wollen. Und was tut ein Genessaner bei dieser Gelegenheit? Er bemüht sich, den von einem gewissen Karel Krystal erbeuteten Vorrat an geistreichen Sprüchen an den Mann oder, besser gesagt, an die Frau zu bringen. Es beruhigt mich ungemein, wenn Wesen, die über solche Machtmittel wie dieses Schiff verfügen, ein so schlichtes Gemüt haben.« Sie lachte laut.
»Wie bringen Sie das eigentlich fertig, liebste Chan, zu lachen und dabei schlimme Mordpläne zu schmieden? Warten Sie mal. Sie haben sich vorgestellt, daß Sie mich …«
»Hören Sie auf, Cantos!«
Ein Unmutsfalte erschien auf der hübschen Stirn. Chan de Nouille schwang ihre Beine von der Liege und richtete sich auf.
»Setzen wir uns gegenüber, und beginnen wir vernünftig zu reden.«
»Ich sagte bereits, daß ich mich anzupassen verstehe, aber ich habe so meine Zweifel, was Ihre Vernunft betrifft.«
»Ich hätte gern mehr von unserem Ziel erfahren.«
»Das Ziel lernt man spätestens dann kennen, wenn es erreicht ist. Ich schlage vor, wir bleiben länger fröhlich, denn möglicherweise gibt es nachher keine Gelegenheit mehr zum Lachen.«
»Können Sie eigentlich richtig lachen – wie ein Mensch?«
»Sehen Sie, liebste Chan, ich habe Sie nicht entführt, um Sie im dunkeln tappen zu lassen. Ganz im Gegenteil. Ich sah es als meine Aufgabe an, Ihnen ein wenig die Augen zu öffnen. Sie träumen zuviel – vor allem von sich selbst und ihrer Rolle in der Geschichte des Kosmos. Der gute Valdec ist geflohen und hat anderen Platz gemacht. Ihnen nicht. Doch das kümmert Sie wenig, weil Sie ihre eigenen Pläne haben. Ich weiß das. Allein das wäre ein Grund für mich, niemals mehr zu lachen, und wenn ich es dennoch tue, dann ist es nicht echt – obwohl es so klingt. Meine Kopfmembran ist in der Lage, beinahe jedes Geräusch zu erzeugen – wie eine Membran eines Lautsprechers. Ob es sich nun um eine menschliche Stimme oder auch nur um ein beliebiges Geräusch handelt. Nur mit dem Erzeugen monumentaler Laute wie dem Explodieren ganzer Welten kann ich leider nicht dienen, weil mein Resonanzkörper zu klein ist. Aber das können Sie um so besser. Bei Bedarf lassen Sie genannte Welten einfach tatsächlich detonieren.«
»Sie sollten weniger reden und mehr Musik machen – falls Sie wirklich so fähig sind mit Ihrer seltsamen Kopfmembran.«
»Tut mir leid, werteste Chan, aber das will ich Ihrem erlauchten Ohr nicht zumuten.«
»Warum bringen Sie mich nicht gleich um? Müssen Sie mich vorher noch auf diese Art und Weise foltern? Sie sollen mich doch im Auftrag der Terranauten ausschalten. Oder bekomme ich eine Gehirnwäsche?«
»Sie irren, Chan de Nouille, wenn Sie annehmen, daß ich Sie töten könnte. Nicht einmal in Notwehr könnte ich das. Es unterliegt nicht meinem Willen. Wir beide haben eine Mission zu erfüllen, die der Menschheit wichtige Informationen bringen wird.«
»Wieso haben Sie gerade mich ausgewählt?« forschte die Große Graue.
»Das müßten Sie selber am besten wissen, liebste Chan. Sie sind die mächtigste Persönlichkeit der Erde. Noch gibt es das sogenannte Konzil, aber die Konzernherren dürfen nichts gegen Ihren Willen unternehmen, denn alle militärische Macht ruht in Ihren Händen. Wenn ich also auf die Menschheit Einfluß nehmen will, sind Sie der richtige Partner. Ich muß Sie überzeugen, dann können Sie das Konzil in meinem Sinne beeinflussen. Und ich habe ein Mittel, Sie zu überzeugen.«
»Welches?« Sie lauerte mit unverhohlener Wißbegierde auf die Antwort.
Doch Cantos sagte nur: »Wir beide werden den Tod kennenlernen – gemeinsam. Es ist der schlimmste, grausamste und furchtbarste Tod, den Sie sich denken können. Davor verblaßt selbst Ihre perverse Phantasie, meine Liebe!«
*
Stille entstand und wurde
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