Die Terranauten 074 - Yggdrasils Vermächtnis
Er ignorierte die Waffe in der Rechten von Hauptmann Gerna.
Der Hauptmann schaute ihn mit großen, runden Augen an.
»Was? Ich …« Er hatte noch immer nicht ganz verkraftet, was er soeben erfahren hatte.
Und dann: »Ich – ich habe versagt!« Er öffnete seine Hand und ließ den Strahler einfach zu Boden fallen.
»Bittest du jetzt auch noch um Bestrafung? Verdammt, ihr hirnlosen grauen Idioten, wann begreift ihr endlich, daß ihr eine Gefahr seid, und schafft euch selber ab, bevor man es mit euch tut? Glaubst du denn, eine Bestrafung, wie auch immer geartet, könnte den Schaden reparieren?«
Gerna wandte sich ab. »Ich kann Ihnen nicht die Nummer geben, Generalmanag«, murmelte er brüchig, »aber ich kann etwas anderes tun: die Große Graue anrufen und sie bitten, mit Ihnen zu sprechen!«
Er setzte sich an eines der Bedienungspaneels. David terGorden wartete. Er achtete nicht auf die Gardisten, die hinter ihm standen und sich neutral verhielten. Sie hatten nicht zu verantworten, was ihre Führung angerichtet hatte. Ohne Konditionierung hätte man ihnen die Erleichterung gewiß anmerken können.
David fing einen Blick von Carsen auf. Der ehemalige Noman war kreidebleich. Es war offensichtlich, daß er jetzt mit seiner erneuten Festnahme und Rückführung in die Kerker von Luna rechnete. Doch er tat nichts, um dies aufzuhalten.
»Keine Sorge!« brummte David. Ihre Blicke kreuzten sich. »Oder glaubst du, daß ich dich denen auch noch anvertraue?«
Carsen schüttelte den Kopf und senkte den Blick. Die Blässe blieb. Er wußte offenbar nicht, was er von dem Versprechen halten sollte.
Die Verbindung kam zustande, und Chan de Nouille verlangte, sofort den Generalmanag David terGorden zu sprechen.
David trat unaufgefordert näher und betrachtete das uralte Gesicht auf dem Schirm. Er wußte es besser. Er kannte die wahre Chan de Nouille. Flüchtig erinnerte er sich an das Intermezzo mit Helena Koraitschowa. Erst später erfuhren die beiden voneinander, wer sie waren. Auch David war damals unter einer Maske aufgetreten.
Es war lange vorbei – viel zu lange.
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, David«, sagte sie ruhig.
»Und ich mache mir Sorgen um dich!« knurrte der Erbe respektlos, daß die Gardisten erschauerten. Er beugte sich vor. »Hast du schon erfahren, was du angerichtet hast?«
»Was Hauptmann Gerna angerichtet hat, willst du wohl sagen?«
»Wo liegt der Unterschied? Das Ergebnis bleibt gleich.«
»Ist dir an Hauptmann Gerna etwas aufgefallen? Er erscheint in letzter Zeit, seit seine Konfrontation mit den Maschinen von Ultima Thule, stark verändert. Ich glaube kaum, daß man ihn für seine Fehler verantwortlich machen kann. Es erscheint mir angeraten, ihn in gute Obhut zu geben, damit man ihn wieder zusammenflickt, nachdem er bei dir Schaden erlitten hat.«
»Aha, wieder ironisch? Ich dachte, daß das Buch Myriam auch für dich interessant sei.«
Sie zuckte die Achseln. »Natürlich, aber was nicht ist, braucht auch nicht unbedingt zu werden.«
David richtete sich auf.
»Soll ich das so verstehen, meine Liebe, daß du andere Pläne hast, die dir wichtiger erscheinen?«
»Nochlaufen unsere Pläne eher konträr und wenig konform, abgesehen von Teilbereichen, nicht wahr, David? Dabei wollen wir doch das gleiche: Abschaffung von Kaiserkraft, Wiederherstellung der politischen und ökonomischen Ordnung und Beseitigung aller Folgeschäden durch Kaiserkraft. Irre ich da?«
»Nein! Aber ich frage mich, woher dieser plötzliche Umschwung kommt! Ich wundere mich die ganze Zeit schon über die so veränderte Chan de Nouille.«
»Da gibt es nichts zu wundern, David. Inzwischen kennst du wohl die Geschichte des Schwarzen Universums, nicht wahr? In diesem Sinne möchte ich dir recht herzliche Grüße von unserem gemeinsamen Freund Cantos ausrichten. Ich kenne die Kangrahs und ihre Katastrophe vielleicht sogar besser als du, denn ich war persönlich mit dabei, als das Schwarze Universum entstand! Cantos war so frei, es mir zu zeigen.«
Die Ironie wich aus ihrer Stimme: »Sieh mal, David, ich kenne die Gefahr mindestens so gut wie du und weiß sehr genau, was wir uns mit Kaiserkraft aufgehalst haben. Brauchst du wirklich das Buch Myriam, um deine Bestimmung zu erfahren? Jagst du da nicht einer Illusion nach? Erkenne endlich den Nutzen von Biotroniks. Yggdrasil muß wiederbelebt werden, der Konzern braucht eine starke Führung, die genau weiß, um was es geht, Yggdrasil muß Misteln produzieren, um
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