Die Terranauten 076 - Krieg der Kasten
jede wirtschaftliche Bedeutung. Von da kommt kein Schiff mehr.«
»Soll das heißen …?« begann Gian Cuny erstickt. Er schluckte. »Hast du wenigstens Entzugsenzyme? Mann, ich brauche was! Mir geht’s hundeelend.«
»Und das ist nur der Anfang.« Nicken. Die Edelsteine brachen das Licht. Sie waren wie sechs zusätzliche, irritierende Augen. Augen, die ins Innerste Cunys blicken konnten. »Natürlich, man ist ja vorsichtig und legt sich eine gewisse Reserve an …«
Cuny atmete tief ein. »Du … Du hast also noch was? Mann, warum sagst du das nicht gleich!«
Nicken. »Ein bißchen schon. Eiserne Reserve sozusagen. Für absolut dringende Fälle.«
»Ich … Ich bin ein dringender Fall.«
»Sieht fast so aus.« Das Lächeln war nur angedeutet. »Allerdings … Es ist das letzte. Und du weißt ja, die Nachfrage ist groß. So eine Nachfrage erhöht den Preis.«
»Ich … Ich verstehe. Wieviel?«
»Na, für dich mache ich einen Sonderpreis. Sagen wir … achtzehn Prozent deines dir verbliebenen Lebenskredits.«
Cunys Augen quollen hervor. »Mann, willst du mich umbringen? Achtzehn Prozent! Das ist ja …«
Der Dealer erhob sich. Seine Züge deuteten tiefes Bedauern an. »Tja, dann tut’s mir leid. Es gibt noch eine Menge anderer Leute, die …«
Das Zittern war kaum noch unter Kontrolle zu halten. »Schon gut, schon gut. Ich hole die Kreditkarte.« Als sich Cuny vom Dealer abwandte und in einen Nebenraum schritt, verzerrte sich sein Gesicht in grenzenloser Wut. Er tastete im Dunkeln nach der Folienkarte, berührte statt dessen aber die Waffe, die er vor knapp zwei Stunden mit einigen Dutzend anderen aus dem Depot geholt hatte. Die plötzliche Idee in seinem Hirn war ein Ventil, aus dem der Überdruck seiner Emotionen entweichen konnte. Krampfhaft schlossen sich seine Finger um den Kolben. Der Fokussierungskristall glühte auf. Der Dealer erwartete ihn mit einem Lächeln auf den schmalen Lippen. Er starb auch mit diesem Lächeln.
Gian Cuny ließ die Waffe fallen und untersuchte die Taschen des farbenprächtigen Gewandes. Die Edelsteine in der Stirn strahlten nicht mehr so intensiv wie noch vor wenigen Minuten.
Alle Taschen waren leer. Der Kerl hatte das SME nicht bei sich gehabt.
»Verdammter Mist!« brachte Gian Cuny mit Tränen in den Augen hervor. Eine oder zwei Minuten lang war er ratlos. Der Dealer war immer zu ihm gekommen. Cuny hatte nicht die leiseste Ahnung, wo er gewohnt hatte oder woher er den Stoff bezog.
Aber er kannte noch einen anderen Ort, wo er an das SME herankommen konnte – der interstellare Zoo, eine exotische Monstrositätenschau, die sich noch immer im Herzen von Kilimandscharo-Stadt befand, obwohl einige Konzilsverwaltungsbeamte wiederholt die Absicht geäußert hatten, den Zoo in eine andere Stadt zu verlegen. Man konnte den Geschöpfen von anderen Welten – so hatten sie argumentiert – schließlich nicht zumuten, in einer Stadt ihr Dasein zu fristen, die mit einer derartigen Menge von Schadstoffen in Luft, Boden und Wasser belastet war.
Cuny packte seine Waffe und verließ seine Wohneinheit. Der Himmel war schwarz; die Fließstraßen glühten in einem phosphoreszierenden Schein. Rücksichtslos bahnte sich Cuny einen Weg durch die vielen Passanten, seine Waffe dabei verbergend.
Im Osten der Stadt glühten zwei Explosionsblitze in den Himmel, gefolgt von einer Druckwelle, die der Bö eines Orkans gleichkam, und von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag. Cuny sah auf die Uhr – Punkt 18.00h. Es ging los. Er dachte nicht daran. Er dachte nur an die entsetzlichen Entzugserscheinungen, die ihm bevorstanden, wenn er sich nicht schnellstens eine Dröhnung oder wenigstens Entzugsenzyme verschaffte.
In seiner Wohneinheit summte die Codierelektronik erste Anweisungen. Es war niemand da, der sie entgegennehmen konnte.
*
Genf, Sitz der Konzilsverwaltung, 21. September 2503, 13.22h Standardzeit
Sekretär Melgash sah Lordoberst Tyll abwartend an.
»Danke, Sie können gehen. Ich brauche Sie nicht mehr.« Die Tür schloß sich mit einem sanften Klicken. Tyll blickte auf die Folien, tastete die neuen Nachrichten dann in ein Terminal. Die Elektronik setzte die Mitteilungen um und verarbeitete sie auf der dreidimensionalen Weltkarte. Weitere rote, gelbe und blaue Punkte leuchteten auf.
Die Lage in Madrid war wieder unter Kontrolle. Zweihundertvierzehn Tote unter den aufständischen. Relax. Verluste bei den eingesetzten Gardisten: keine. Sedativzufuhr im Trinkwasser drastisch
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