Die Terranauten 092 - Das Geheimnis der Genessaner
mit den Hütern des Erbes und wage es jetzt nicht mehr. Ich glaube, damit hing es zusammen. Der Kontakt wurde gewissermaßen abgehört. Es ist möglich, daß dadurch viele der Hüter ihr Leben lassen mußten.«
»Abgehört?« echote ich ungläubig. »Von wem?«
Cantos antwortete nicht.
Ich ließ nicht locker: »Von der Entität?«
Es war das erste Mal, daß ich erlebte, wie Cantos die Nerven verlor: »Wie kommst du darauf, Llewellyn? Hat Quasimodo nicht schon gesagt, daß du die Dinge falsch siehst? Das heißt, du siehst sie schon richtig, aber du deutest sie falsch. Es gibt keine Entität auf Genessos. Es gibt nur ein Seelenkonglomerat in Weltraum II, auf der anderen Seite der Weltraummembran. Sie hat ihren Beginn in der Kangrahgalaxis, bevor diese unterging. Unsere Vorfahren, die Baahrsans, verdanken es der Entität, daß sie überhaupt die damalige Katastrophe überlebten. Sie flüchteten nach Genessos und begannen hier von neuem. Die Entität hat den Baahrsans das Leben gerettet, und wir Genessaner leben so, wie es uns paßt. Das können wir nur, weil es die Entität gibt. Wir nähren uns von W-II-Energie und geben – uns selber! Am Ende unseres Lebens geht all unsere Lebensenergie hinüber und wird in die Entität integriert.«
Ich sagte kein Wort, und Cantos wurde auf einmal bewußt, daß er mehr verraten hatte als beabsichtigt.
Er hatte genau meinen Verdacht bestätigt.
Ich hatte die Anwesenheit der Entität schon einmal gespürt, und es hatten mich kalte Schauer ergriffen.
Jetzt glaubte ich zu wissen, was die neuerliche Katastrophe auf Genessos verursachte: Die Entität »ernährte« sich von den Seelen der Verstorbenen. Die Hälfte der Genessaner war in der letzten Woche umgekommen. Das waren Milliarden, wenn nicht gar Billionen. Sie alle hatten im wahrsten Sinne des Wortes ihren Geist aufgegeben – und nährten damit die Entität von Weltraum II.
Die Entität war dadurch zu einem gefräßigen Moloch angeschwollen, der alles aufsaugte – selbst Banshees, die nichts mit Genessos zu tun hatten.
Und es hatte seine Auswirkungen in jenem Schwingen: Die Entität tötete wahllos Genessaner, um ihren Geist aufzusaugen.
Ich spürte, daß meine Hände zu zittern begannen.
Die Genessaner hatten immer in einer Art Symbiose mit der Entität gelebt, und diese war nun gestört. Die Genessaner würden alle sterben müssen. Aber was dann? Was würde mit der Entität geschehen?
War es überhaupt richtig, dieses Wesen Entität zu nennen? War es nicht eher ein gigantisches Monstrum aus negativen Energien?
Ich sah Cantos an und begann, an meiner phantastischen Theorie schon wieder zu zweifeln.
Irgendwie war ich schon auf dem richtigen Weg, aber ich hatte es nicht völlig richtig erfaßt.
Wie Cantos es schon angedeutet hatte: Ich sah die Wahrheit, interpretierte sie jedoch falsch.
Kein Wunder: Schließlich war ich kein Genessaner, sondern ein Mensch.
Cantos setzte sich nieder und winkte uns zu. »Wir fliegen jetzt zu den Hütern.«
Das Raumschiff erhob sich vom Boden, kaum daß wir uns gesetzt hatten. Mein Herz klopfte schier bis zum Hals. Ich dachte daran, daß irgend jemand dieses komplizierte, hochgezüchtete, denkende Raumschiff entwickelt hatte. Es war gewiß nicht aus dem Nichts entstanden. Auf dem ganzen Planeten gab es nichts Technisches.
Außer bei den Hütern des Erbes.
Der Gang, in dem ich vor einigen Stunden gelandet war, war eindeutig künstlich entstanden.
Die Hüter des Erbes. Wenn wir mehr von ihnen erfuhren, war ein Teil des Geheimnisses um Genessos wieder gelüftet.
Cantos versäumte es nicht, uns über jede Etappe des Fluges ganz genau im Bild zu lassen.
Wir würden bei den Hütern gewiß auch erfahren, was Cantos, Jana und mich beinahe getötet hätte – wäre Thor 51 nicht gewesen.
Ich warf einen Blick zu dem Supertreiber hinüber.
Er lächelte hochmütig und erzeugte in mir den unbändigen Wunsch, in dieses Lächeln mit beiden Fäusten hineinzuschlagen.
Ich mußte mich abwenden, um nicht die Beherrschung zu verlieren.
Thor 51 mußte es gemerkt haben, denn er lachte schallend. Das peitschte meine Nerven auf, aber erstaunlicherweise blieb ich wenigstens nach außen hin ruhig.
Ich konzentrierte mein Augenmerk auf die großen Panoramabildschirme in der Subzentrale, in der wir uns befanden.
Cantos ließ das Schiff knapp über dem Dschungel schweben. Man sah deutlich das wimmelnde Leben. Schlimmer, als würde man genau in das Zentrum eines Ameisenhaufens blicken.
Der Planet hatte
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