Die Terranauten 093 - Das galaktische Archiv
Sänfte, auf die gleich mehrere von ihnen zustiegen und sich in seine Arme schmiegten; ein anderes Mädchen klappte einen bunten Sonnenschirm auf, und ein weiteres begann, Farrell mit einer großen, buschigen Feder Frischluft zuzufächeln. Der Rest lud sich die Sänfte auf die Schultern und setzte sich unter fröhlichem Absingen von »Kakaloha-kalamani-ahe-ahe« zur Pyramide in Bewegung.
Wohl oder übel schlossen die anderen Expeditionsteilnehmer sich der Prozession an. »Ich habe nie sonderlich viel von dir gehalten, Claude«, rief Jana, »aber ich bin froh, daß du dich nun unmißverständlich als krasser Fall eines altterranischen Pascha-Komplexes entlarvst.« Aber scheinbar hörte der Terranaut sie gar nicht.
»Ich glaube, das ist die Lösung.«
»Was? Daß er König wird?« Verblüfft blickte Llewellyn Kalia an, die an seine Seite gekommen war; der Gesichtsausdruck der grauhaarigen Treiberin, mit der sich Llewellyn glänzend verstand, zeugte von tiefschürfender Nachdenklichkeit. »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
»Das meine ich auch nicht. Ich rede von Claudes Bekenntnis, er habe sich schon immer gewünscht, einmal auf einem fremden Planeten in diesem Stil empfangen zu werden. Ich vermute, diese Mädchen und das ganze Drumherum sind eine Projektion von Claudes innigstem Herzenswunsch.«
»Innigstem Herzenswunsch?« Llewellyn hatte ein wenig Mühe, Kalias altmodische Ausdrucksweise zu verstehen. »Du willst sagen, wir bilden sie uns nur ein? Aber sie sind wirklich vorhanden, materiell vorhanden. Man kann sie anfassen, fühlen.«
»Das spräche nicht unbedingt dagegen. Man kann dem Gehirn allerlei vorgaukeln. Allerdings hinterlassen sie. Fußspuren.« Llewellyn stutzte. Diese Einzelheit hatte er noch nicht bemerkt. »Es handelt sich um reale Manifestationen, aber natürlich um keine lebendigen Wesen. Mal angenommen, es gibt auf Hephaistos irgend etwas, irgendeine Einrichtung oder Instanz – vielleicht irgend jemanden –, durch das oder den insgeheime oder sogar auch unbewußte Wunschvorstellungen in materielle Manifestationen umgesetzt werden … In Gebilde aus einer begrenzten Anzahl von Molekülen, gerade genug, um den äußerlichen Schein zu garantieren, von Molekülen, deren jedes einzelne mit den erforderlichen Daten programmiert ist, um ein gewisses Repertoire von Verhaltensmustern korrekt zu simulieren – kann das nicht die Erklärung für das sein, was wir hier erleben?«
»Deine Spekulationen klingen selbst für mich ziemlich phantastisch«, bekannte Llewellyn, obwohl er annahm, daß Kalia recht hatte. »Andererseits haben wir auf Rorqual mit einer ganzen Reihe ähnlicher Phänomene zu tun gehabt. Und wenn’s stimmt, bleibt immer noch eine Frage – wozu soll’s gut sein?«
»Werde deine Hypothese mal einer. Wahrscheinlichkeitsrechnung unterziehen«, kündigte Tse Irlowna an, die das Gespräch mitangehört hatte. Prompt holte sie ihren liebevoll »Dom Dote« genannten Taschenrechner heraus und begann, mit zierlichen Fingern die vielen winzigen Tasten zu drücken.
»Nach meiner Ansicht sind derartige Mätzchen einer echten Superzivilisation unwürdig«, sagte Angila Fraim, die selbstverständlich nicht weit war und ohnehin nie eine Gelegenheit versäumte, Llewellyn auf ihren Scharfsinn aufmerksam zu machen.
»Womöglich benutzen unsere Superfreunde solche Manifestationen als eine Art von Test«, mutmaßte Scanner Cloud, »um Gäste anhand ihrer Reaktionen einzustufen.«
»Dann laßt uns hoffen«, meinte Llewellyn mit einem Seufzen, »daß Claude den Test besteht.« Im nächsten Moment hob er ruckartig den Kopf. Anscheinend hatte Thor 51 irgendeinen einsamen Entschluß gefällt. Besorgt beobachtete Llewellyn den Supertreiber.
Der Mädchenschwarm eilte mit Claude Farrell recht schnell voraus, und Thor 51, der an der Spitze des restlichen Trupps marschierte, hatte nun mit einigen weiten Sätzen die Mädchen eingeholt. Llewellyn verfiel in einen Laufschritt. Er ahnte nichts Gutes. »He, ihr da«, hörte er Thor 51 arrogant näseln, »antwortet mir! Aufgepaßt! Ist das hier Hephaistos, die Zentralwelt der Entitäten?«
Kaum hatte er das letzte Wort gesprochen, da lösten sich die Erscheinungen der Mädchen auf. Sie verwehten in einer dünnen Staubwolke. Auch die Sänfte und das gesamte Zubehör verschwanden. Infolgedessen prallte Claude Farrell recht unsanft mit dem Gesäß auf den Untergrund. Mit etlichen jugendgefährdenden Flüchen rappelte der Terranaut sich auf. »Sie Idiot!«
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