Die Terranauten 096 - Planet der Illusionen
hautlappenähnliche Symbiont, den sie im Archiv der Entitäten erhalten hatten, funktionierte noch immer und übersetzte jede Sprache. Aus den Augenwinkeln registrierte er, daß Scanner Cloud und Morgenstern ihre Unterhaltung unterbrochen hatten und die beiden Gestalten neugierig betrachteten.
»Wer seid ihr?« fragte Lem Odebreit. »Wo kommt ihr her? Und was haben die Vielbeine mit uns vor?«
Die beiden Fremden waren wie eineiige Zwillinge, wie exakte Spiegelbilder eines einzigen Wesens: schlank, fast dürr, von insektoidem, fast wespenartigem Äußeren. Die großen Köpfe saßen auf dünnen, kurzen Hälsen. Die Schädel waren haarlos, die Haut runzlig und faltig, die Augen groß. Sie schillerten in allen Farben des Spektrums, und es war nicht genau zu erkennen, ob es Vollpupillen waren oder ob sie aus Einzelgliedern oder Facetten zusammengesetzt waren. Krächzen ertönte, und die Transformer übersetzten: »Wir sind zwei Fürbitter. Einst waren wir eine Dreieinheit, doch unser Mitbruder ist gestorben, als er zum zweitenmal einen Fluchtversuch unternahm. Wir waren unterwegs zum Schlafenden Land und der Quellnymphe Amryta, als wir in die Nebelwelt gerieten und nicht schnell genug den Rückweg fanden. Seit ein paar Tagen befinden wir uns hier in der Höhle und warten darauf, daß man uns abholt.«
»Abholt?« wiederholte Tse Irlowna. »Wozu?«
»Oh, es ist traurig. Wir wissen auch nicht genau, was die Vielbeine mit uns vorhaben. Aber kurz nachdem wir in diese Höhle gebracht worden sind, wurden zwei andere Gefangene abgeholt und in die Wabenstadt geschafft. Seitdem haben wir sie nicht wiedergesehen, und die Gedankenströme der beiden Fremdbrüder sind inzwischen verstummt.«
»Vielleicht nähren sie mit den Gefangenen ihren Nachwuchs«, vermutete Lem Odebreit leise. Er wurde blaß. »Oder sie …«
»Halt den Mund!« schnauzte Ana Madashi ihn an. »Ich will von solchen Sachen nichts hören.«
»Ich meinte ja nur …«
»Sei bloß still!« Sie war blaß und würgte.
»Es ist schade«, sagte einer der beiden Fremden. »Jetzt werden wir das Schlafende Land nicht mehr erreichen und der Quellnymphe unsere Wünsche vortragen können.«
Farrell hatte einen bestimmten Gedanken. »Das Schlafende Land? Was ist das?«
»Oh«, machte eines der beiden Insektenwesen, knickte seine Beine ein und ließ sich auf dem harten Boden nieder. »Woher kommt ihr, wenn ihr noch nie davon gehört habt? Es liegt weit im Norden, und man muß viele Biotope durchqueren, will man es besuchen. Die Nebelwelt«, eine umfassende Geste, »liegt direkt an der Grenze des Schlafenden Landes. Wir hätten vielleicht nur noch ein weiteres Biotop durchqueren müssen, um unser Ziel zu erreichen.« Trauer. »Aber dazu ist es jetzt zu spät. Wir wollten Kontakt zu den Mächtigen dieser Mehrwelt aufnehmen und ihnen unsere Wünsche und Bitten vortragen. Wir sind ausgebildete Fürbitter. Und die Quellnymphe hätte uns bestimmt angehört und nicht zurückgeschickt oder gar in den Tiefen Schlaf versetzt.«
Shyla D’honor atmete tief durch. »Denkt ihr das gleiche wie ich?« Ihre Frage beantwortete sich von selbst, da sie die Gedankenströme der Kameraden deutlich empfing. Nur Scanner Cloud und Morgenstern hatten sich mental eingekapselt.
»Die Entitäten«, sagte Kalia langsam. »Die Mächtigen müssen die Entitäten sein. Und die Quellnymphe …« Sie wußten nicht, wie die richtige Bezeichnung lautete. Die Transformer übersetzten offenbar nur in annähernd adäquate Begriffe und Synonyme.
»Es gibt also ein Gebiet hier auf der Zentralwelt«, überlegte Dime Mow, »in dem eine Kontaktaufnahme zu den Entitäten leichter zu bewerkstelligen ist als in anderen Regionen.«
»Entitäten?« fragten die beiden Fürbitter synchron.
»Die Mächtigen«, erklärte Farrell rasch. »Auch wir waren zu ihnen unterwegs.«
Trauer und Melancholie.
»Ja«, stimmten die Fürbitter klagend an, »und nun sitzen wir hier fest. Wer weiß, wann uns die Vielbeinigen abholen. Wer weiß, was dann mit uns geschieht. Wir sind umsonst auf die Lange Reise gegangen. Wir werden das Ziel nie erreichen.«
»Wir müssen es erreichen«, sagte Tse Irlowna kühl. »Und wir müssen die Entitäten vor dem Kaiserkraftangriff Valdecs warnen. Denn sonst, Freunde, sieht’s verdammt düster aus, was die Zukunft der Menschheit betrifft.« Sie erhob sich und näherte sich langsam dem Höhlenausgang. Sie legte den Kopf in den Nacken. Die Höhlendecke lag weitgehend im Dunklen. Einzelheiten waren
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