Die Terranauten TB 01 - Sternenstaub
heiße Tom«, sagte der Junge und nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarre, die ihn nicht etwa männlicher, sondern noch kindlich-unschuldiger machte. »Ich heiße Tom, und ich weiß, daß mit Euch einiges nicht stimmt.«
Hinter ihnen war das Rattern der Automaten, das Gelächter und die Schreie, kaum noch hörbar, aber sie konnten das Innere der großen Halle über einen holografischen Monitor beobachten.
Sie befanden sich hier auf einer Dachterrasse. Der Monitor diente dazu, Leute, die sich oben aufhielten, so schnell wie möglich wieder hinunter in die Halle zu locken, bevor sie an der würzigen Luft wieder zur Besinnung kamen.
Und die Luft war würzig!
»Was hast du gesagt, Tom?« fragte Mayor rasch, und seine Stimme klang rauher, als er es eigentlich vorgehabt hatte. Der Junge wich rasch einen Schritt zurück. Er war dermaßen behende, daß Mayor Mühe haben würde, ihn zu packen.
»Ich sagte, daß ihr keine Relax seid, das ist doch nicht weiter schlimm, oder?«
»Eigentlich nicht«, sagte Freya gepreßt, »schließlich könnten wir Servis sein, oder?«
»Nein«, sagte der Kleine gedehnt und blieb wachsam auf dem Sprung, nervös an seiner Zigarre ziehend (erst jetzt sahen sie, daß es sich um ein Spielzeug handelte, das täuschend echten Rauch von sich zu geben schien). »Ich tippe da mehr auf Nomans.«
»Wie kommst du darauf?« wollte Mayor wissen. Er sah sich rasch um, aber keiner war in der Nähe. Trotzdem, die Sache konnte gefährlich werden. Vielleicht wurden sie durch versteckte Mikros überwacht.
Mayor zog mit einer raschen Bewegung seine Uniformjacke zur Seite, so daß seine breite Brust sichtbar war, bis hin zu den Schultern. Der kleine Junge tat einen mächtigen Zug aus seiner Zigarre und trat einen Schritt näher.
»Nein, du bist kein Noman«, sagte er langsam, »und dabei wünschte ich, du wärst einer.«
»Wieso?« fragte Mayor überrascht.
»Ich langweile mich«, erklärte der kleine Relax schlicht. »Mutter hängt den ganzen Tag vor der Glotze, Vater geht in seine Sex-Clubs, und ich muß den ganzen Tag flippern im Salon. Wenn’s doch nur was anderes gäbe!«
»Du wolltest uns etwas zeigen«, erinnerte ihn Mayor.
Der Kleine nickte eifrig.
Sie befanden sich draußen, an der Oberfläche. Hinter ihnen war das Tosen und Dröhnen des Salons, und ihre Körper warfen bunte Schatten.
Doch vor ihnen rauschte es in der Dämmerung. Vor ihnen lag ein rosa Schein wie eine dünne Flammenzunge auf einer glitzernden Fläche.
Sie waren am Meer. Eben war die Sonne untergegangen.
Mayor packte den Jungen, der sich in seiner Reichweite befand und zog den zappelnden dicht an sich heran.
»Wo sind wir hier, Tom?« fragte er eindringlich. »Das ist wichtig für uns!«
Zu seiner Überraschung bekam der Junge starre Augen. Er schien sich in einer Art Trance zu befinden. Er entwand sich langsam und mühelos dem Griff und sagte mit geschlossenen Augen: »Ich wußte es, ihr seid anders. Ihr wißt nicht, wo ihr seid. Ihr seid auf mich angewiesen. Du!« wandte er sich plötzlich Freya zu. »Du bist eine Noman, und eine Heldin!«
Kat fauchte.
»Und du bist keine gewöhnliche Katze. Eine gewöhnliche Katze wäre schon längst unten am Ufer und würde Ratten jagen. Aber die sind ja schon rast größer als du, Kat!«
Freya und Mayor sahen sich bedeutsam an. Mit diesem Kind stimmte etwas nicht. Es schien ein typischer Vertreter der jüngsten Relax-Generation zu sein, nur aufs Spiel versessen, auf die billigen und dumpfen Vergnügungen der Ausstrahlungen des FFF-Monopols, das normierte Unterhaltungspropaganda in einer völlig geisttötenden Art auf die Relax losließ. Und doch hatte er sie nach oben geführt, um ihnen – was? – zu zeigen. Und doch hatte er sie entlarvt.
»Nimm mal an, du hast recht«, sagte Mayor langsam. »Wie bist du darauf gekommen, daß sie eine Noman ist?«
»Alle sagen immer, ich sehe zu viele Filme. Oder ich spiele zuviel. Aber ich kann doch nicht mehr tun als den ganzen Tag Filme sehen oder spielen. Und die ganze Nacht.«
»Schläfst du nie?« fragte Freya ungläubig. »Ich kann mich daran erinnern, daß kleine Jungen auch mal schlafen müssen. Und auch große Männer.«
»Ich schlafe nie«, beharrte Tom.
Es herrschte einen Moment bedrückendes Schweigen. Von unten quoll der Lärm der spielenden Relax herauf, untermalt von der eintönigen Musik, die auf drei süßlichen Akkorden und einem dumpfen, einfachen Rhythmus aufgebaut war. Vor ihnen rauschte die See. Der rote Streifen
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