Die Terranauten TB 02 - Der grüne Phönix
wurden. Über diese schwankenden Verbindungswege konnte man die anderen Atemoasen Nebbias erreichen – oder man nahm ein Luftboot, mit dem eine solche Reise vergleichsweise einfach und schnell durchgeführt werden konnte. Niedrige Häuser duckten sich an die manchmal nackten und kahlen Hänge der Berge. Stimmen drangen an ihre Ohren: lachende Kinder, der Gesang von Frauen, die Knochenbaumknollen von den angepflanzten Plantagen weiter oben ernteten. Dann und wann kamen ihnen Nebbianer entgegen. Es waren zierliche, zerbrechlich wirkende Gestalten. Sie hatten mehr als zweihundert Jahre Zeit gehabt, sich an die Umwelt Nebbias anzupassen. Sie lebten ein hartes Leben, denn manchmal, wenn sich die drei Monde Nebbias trafen und ihre Gravitationssphären verschmolzen, kam der Ozean aus verschiedenen Luftschichten in Bewegung. Die Wolkengezeiten warfen Wellen an die Gipfel der Berge, die über die Gift- und Hochdruckschichten hinausragten, und dann konnte es geschehen, daß Gischt aus tödlichem Gift sich über Knochenbaumplantagen ergoß und die Ernte eines ganzen Langjahres zerstörte. Oder daß Häuser unter plötzlich anwachsendem Druck zerquetscht wurden. Es hatte Rückschläge gegeben, aber auch Fortschritte. Die Nebbianer produzierten alles selbst, was für ihr Leben notwendig war. Und sie exportierten die Knollen der Knochenbäume, deren Verzehr immunisierend war. Die Knollen enthielten bestimmte chemische Verbindungen, die die Wirkungen herkömmlicher Breitbandantibiotika noch übertrafen. Kein Nebbianer war jemals in seinem Leben krank gewesen. Diese Welt war in Ordnung. Sie hatte gelernt, auf sich allein gestellt zu überleben, und sie hatte zweihundert Jahre gehabt, diese Unabhängigkeit zu stabilisieren. Nebbia war einer von wenigen Planeten im auseinandergebrochenen Sternenreich, dem es vergleichsweise gut ging.
Nach einer halben Stunde erreichten Asen-Ger, Piter VanLoren, Narda und Nayala den Fuß der Treppe. Die Giftwolken verbargen hundert Meter unter ihnen alles vor ihren Blicken: eine Decke aus undurchdringlichem Weiß, die eine ganze Welt umspannte.
»Wir sollen wirklich da rauf?« fragte Narda skeptisch. Sie deutete auf die Hängebrücke. Einige hundert Meter entfernt hatte ein Luftboot angelegt, und der nebbianische Steuerer winkte.
»Wir haben wohl keine andere Wahl«, grinste Asen-Ger.
Die Brücke erwies sich als weitaus stabiler, als sie den Eindruck machte. Sie schwankte ein wenig, doch daran gewöhnte man sich schnell. Die anderen Mitglieder der irdischen Delegation zur Konferenz folgten ihm. Piter war blaß, Narda kicherte. Kurz darauf hatten sie das Luftboot erreicht. Unter ihnen war bodenlose Tiefe, verborgen unter den Dicht- und Giftschichten des Wolkenozeans.
»Kann es uns alle tragen?« erkundigte sich Piter bei dem Nebbianer. Es war ein zierlicher Mann, der Asen-Ger kaum bis zur Brust reichte. Vielleicht wog er hundert Pfund, vielleicht auch weniger. Sein Gesicht war das eines Kindes, seine Hände so feingliedrig wie die eines jungen Mädchens. Er lachte, und seine Stimme war glockenhell.
»Oh, da können Sie ganz sicher sein. Es trägt uns alle. Und es könnte noch mehr aufnehmen, wäre es notwendig.«
Das Boot wirkte mindestens ebenso zerbrechlich wie der nebbianische Kapitän. Es bestand aus einem Gestell aus superleichten Hohlknochen, die ebenfalls von den Knochenbäumen stammten. Darüber waren Faserteppiche gespannt. Mehrere dicke, knollenähnliche Gebilde waren mit den Hohlknochen verbunden. Ab und zu ertönte leises Zischen: Wasserstoffgas, das ins Innere der Knochen drang und für den nötigen Auftrieb sorgte.
Sie stiegen hinein.
Das Boot schwankte etwas und sank einige Zentimeter tiefer. Das Zischen intensivierte sich für einige Sekunden, das war alles. Der Nebbianer sprang zu ihnen herein und setzte das Segel. Der Wind blähte es sofort auf, und als das Haltetau gelöst wurde, nahm das Luftboot Fahrt auf.
»Phantastisch«, murmelte Narda. »Wirklich nicht schlecht.«
»Oh«, machte der Nebbianer. »Gefällt es Ihnen?«
»Es erinnert mich an die Flugblüten auf der Erde«, sagte Nayala nachdenklich.
Narda kicherte. »Die Gesandten der Technowelten werden eine Höllenangst haben, diese Gefährte zu betreten. Keine MHD-Generatoren, keine Schwebkissenfelder, nur Knochen und Wasserstoffgas.« Ihre Miene verfinsterte sich. »Hoffentlich schicken sie uns keine ehemaligen Manags. Ich lege keinen Wert auf ein solches Wiedersehen.«
»Und wenn sie Manags schicken«, sagte
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