Die Terranauten TB 10 - Der Sternenfänger
Stimme.
»Ein Attentat für mich ausführen«, erwiderte der Sternenfänger, aber im Bewußtsein der Treiberin formten die Silben seiner Worte einen völlig anderen Sinnzusammenhang. Er imprägnierte den Geist der jungen Frau mit einer festen Absicht, Vorsicht und der nötigen Entschlossenheit. Joia würde sich erinnern, wenn es soweit war. Sie würde sich erinnern – und ihm gehorchen. Es blieb ihr gar nichts anderes übrig. »Du sollst Tramur töten, den Vorsitzenden des Architektenrates.«
Später dann, als er Joia auf den Weg geschickt und wieder die Gestalt des Sternenfängers angenommen hatte, machte er sich auf den Weg in die Melodienkammer, um dem Gesang der Sterne zu lauschen. Tramur würde nicht noch einmal in der Lage sein, einen Anschlag auf ihn zu verüben. Mit dem Vorsitzenden des Architektenrates ging eine ganze Ära zu Ende – die Epoche des Volkes der Sonnenarchitekten. Der Sternenfänger lachte leise. Sollten sie hoffen auf ein Leben als energetische Wesenheiten, auf eine wirklich unsterbliche und ewige Existenz. Sie waren nichts anderes als Werkzeuge, als Einheiten, die durch andere ersetzt werden konnten, ebenso wie Joia. Ohne Tramur war die Ratsfraktion der Skepsis und des Mißtrauens gegenüber dem Sternenfänger machtlos.
»Hört ihr mich, ihr Sonnen?« flüsterte Chagar, und die Sensoren verstärkten seine mentale Stimme und ließen sie den Tausenden und Abertausenden Gestirnen der Sonnensphäre entgegenwehen. »Bald gibt es keinen Widerstand mehr. Ich werde auch die letzten Architekten durch Rekrutierte ersetzen, und dann steht der Vollendung der Sphäre nichts mehr entgegen. Freut ihr euch. Sonnengeister? Wir bauen eine Welt, die nur uns allein gehört …«
Und während er dem Gesang der Sonnen lauschte, dem Prasseln der Statik, dem Fauchen der Protuberanzen, dem Knistern und Knacken der Chromosphäre, dem Brodeln der Fusion … während er diese ewige Melodie in sich aufnahm, dachte er an David terGorden. Die Fallen warteten auf ihn. Irgendeine würde zuschnappen. In diesem Punkt war der Sternenfänger ganz sicher.
Kapitel 10
Im Zirkel Tramurs: Entlarvung
Das Erwachen erfolgte so plötzlich, als flamme eine ausgeschaltete Lampe jäh wieder auf. Von diesem Augenblick zum anderen wich die Nacht, und vor den Augen David terGordens wurde es hell. Er taumelte, drohte zu stürzen und hielt sich irgendwo fest. Er starrte auf eine hohe Pflanzenstaude, und ihre purpurnen Dornen bohrten sich ihm in die Haut. Der damit einhergehende Schmerz brachte ihn endgültig in die Wirklichkeit zurück. Er löste die rechte Hand aus dem Busch und legte den Kopf in den Nacken. Über ihm wölbte sich ein türkisfarbener Himmel, und hinter ihm knarrte eine Stimme: »Sie beschädigen die Parkanlagen, mein Herr.«
David drehte sich ruckartig um. Er blickte auf einen Igel aus glänzendem Metall und stumpfem Kunststoff. Das Maschinenwesen stakte auf Dutzenden von flexiblen Stahlbeinen durch die Schneise in den farbenprächtigen Mustern aus Blumen, exotischen Gräsern und Duftpflanzen – eine Schneise, die offenbar er selbst geschaffen hatte. Kleine Klappen öffneten sich in dem metallenen Körper. Scheren und andere Instrumente stülpten sich heraus und machten sich unverzüglich daran, die angerichteten Schäden wieder auszubessern. Einige Dutzend Meter entfernt wuchsen hohe Bäume, und ihre Blattkronen bewegten sich wie zögernd im lauen und warmen Wind.
»Das … das tut mir leid«, erwiderte David, und erst einige Sekunden später fiel ihm ein, wie dumm diese Antwort war. »Wo bin ich?«
Aber das Maschinenwesen versagte ihm die Auskunft auf diese Frage. David terGorden setzte sich wieder in Bewegung und schritt weiter. Diesmal hielt er sich an die Pfade aus Kies, die an marmornen Wasserspeiern und Fresken und Brunnen vorbeiführten. »Myriam?« Es blieb alles ganz still. Ich träume, dachte David. Ja, es muß ein Traum sein. Ganz deutlich erinnerte er sich an die Bilder innerhalb des zerstörten Treiberraumschiffes, das manövrierunfähig der Erde entgegenstürzte, an die Worte des Gesichtslosen, der er selbst gewesen war. Bald blieben die Pflanzenstauden mit den vielfarbenen und duftintensiven Blüten hinter ihm zurück. Dicht vor ihm endete der Kiesweg plötzlich, und jenseits einer imaginären Trennlinie wuchsen gewaltige Säulen aus von einem Orkan aufgewirbeltem Sand und Staub in die Höhe. Nach einigen weiteren Schritten stieß David gegen ein unsichtbares Hindernis. Er streckte die Hände aus,
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