Die Terranauten TB 11 - Spektrum-Jagd
Lebensunterhalt in der Hölle verdienten, hatten der Ulema ganz offensichtlich keine besondere Beachtung geschenkt. Als Chagar den Staker anhielt und das Fahrzeug verließ, konnte er nicht einmal Fallen lokalisieren.
Er wanderte an dem Stamm entlang, dessen Rinde so hart war wie Granit, und mit seinen transparenten Fingerkuppen strich er wie zärtlich über die Borke. Hier drohte ihm keine Gefahr. Hier war er nicht mehr dazu gezwungen, die Gestalt zu wechseln, um mit Angreifern aus der Hölle fertig zu werden. Der Bereich, in dem die Ulema wuchs, war wie eine Insel der Ruhe in einem sturmgepeitschten Meer.
»Du wirst mir helfen, nicht wahr?« flüsterte der Sternenfänger und blickte an dem Stamm empor. Die Baumkrone befand sich Hunderte von Metern über ihm und verlor sich irgendwo in dem Blätterdach, das den Dschungel wie einen Schild überspannte. Tief unten, so wußte Chagar, dort wo kein Tageslicht eine immerwährende Finsternis erhellte, wo sich im stinkenden Wasser Parasiten verbargen, wuchsen Misteln an dem kilometerlangen Wurzelgeflecht des Urbaums. Aber darauf kam es ihm jetzt nicht an.
Die Schwäche ließ den Sternenfänger zittern. Er lehnte sich an den Stamm und versuchte, gegen das drohende Dunkel anzukämpfen, das seine Gedanken zu betäuben drohte. Die psionische Präsenz David terGordens war noch weit von ihm entfernt, kam aber rasch näher. Ganz offensichtlich war sein Verfolger dem Stecher-Schwarm auf irgendeine rätselhafte Weise entkommen. Chagar fluchte. Es blieb ihm nicht mehr viel Zeit.
Sein Körper hatte bereits begonnen, sich zu deformieren. An Armen und Beinen bildeten sich Auswüchse und Geschwüre, und selbst wenn er sich darauf konzentrierte, konnte er sie nicht zurückbilden. Das war nur während einer Übertragung seiner Identifikationsmatrix üblich. Chagar dachte kurz an den Identifikator in seinem solaren Heim, an die flüsternden Stimmen der Sonnenwinde, denen er so gern lauschte.
»Es dauert nicht mehr lange«, krächzte er, »und ich sehe genauso aus wie die anderen verdammten Sonnenarchitekten.«
Aber auch das war im Augenblick nicht wichtig.
Er atmete tief durch, schloß die schwarzen Augen und fixierte seine Gedanken allein auf die Aura der Ulema. Eine mächtige Präsenz war es, ein Brodeln von Kraft und psionischer Energie, durchsetzt von Erinnerungsbildern an einen anderen Kosmos, die der Sternenfänger aber nicht weiter beachtete. Er streckte seine mentalen Arme aus und begann damit, die Kraft des Urbaums zu formen, sie zu einer Masse zu kneten, die er anschließend für seine Zwecke verwenden konnte. Er trachtete danach, Verbindungen über lichtjahrweite Entfernungen herzustellen und die Funktionen der Projektoren im Innern des zentralen Kollektors zu ersetzen. Aber ohne die Unterstützung durch die genau auf seinen Geist abgestimmten elektronischen Systeme von Computern erwies sich das als außerordentlich schwierig. Die energetischen Netzwerke, die zwischen den Tausenden und aber Tausenden eingefangenen Sternen der Sonnensphäre bestanden, waren derart komplex, daß ein einzelnes Bewußtsein – auch wenn es noch so leistungsfähig und stark sein mochte – nicht alle Zusammenhänge gleichzeitig zu erfassen vermochte. Seine Hoffnungen wurden enttäuscht. Selbst mit der Hilfe der Ulema konnte er nicht die Initialzündung auslösen. Er mußte zurückkehren zu den Kollektorstationen und mit den dortigen Computern ein neues Szenario dafür errechnen. Er zweifelte nicht daran, daß der Erfolg nur eine Frage der Zeit war. Aber Zeit hatte er eben nicht.
Als sich der Sternenfänger wieder aus seiner meditativen Konzentrationsstarre löste, erlebte er einen Schock. Es waren nicht einige wenige Minuten verstrichen, wie er angenommen hatte, sondern Stunden. Das trübe Zwielicht in dieser Ebene der Hölle verdunkelte sich rasch, als die in der Atmosphäre Tebheos schwebenden AEEs gemäß ihrer Programmierung eine künstliche Nacht erzeugten. Und David terGorden … er befand sich jetzt in unmittelbarer Nähe.
Chagar drehte sich ruckartig um. Er konnte nichts erkennen. Aber er wußte auch, daß sein Verfolger diesen Ort in wenigen Minuten erreicht haben mußte. Er preßte beide Hände an den Stamm der Ulema und konzentrierte sich erneut. Er schöpfte Kraft für die bevorstehende Auseinandersetzung. Er zwang den Urbaum unter seinen Willen, so wie es schon einmal geschehen war, damals, als die Solarschlepper und Stellartraktoren das Zentralgestirn Tebheos fortdirigiert und in
Weitere Kostenlose Bücher