Die Terranauten TB 13 - Die Lebenswächter
»Zugleich ist er eine Form von Selbstzerstörung.«
»Das ist allerdings ein Widerspruch«, murrte der Riemenmann.
»Auch das weiß ich. Aber die ganze Welt ist voller Widersprüche. Es gibt keine Existenz ohne Widersprüche. Diese Tatsache ist es, mit der man leben muß.«
Gleichmut, Gleichmut, mahnte ihn freundlich sein Grüner Partner. Ein Lenker verurteilt nicht, weil er jederzeit selbst Fehler mit schrecklichen Folgen begehen kann oder Handlungen mit grausamen Begleiterscheinungen ausführen muß. Gleichmut, Gleichmut.
»Schlaues Gewäsch!« schnauzte Llewellyn. »Dergleichen hilft uns nicht …«
»Entschuldigung, Llewellyn«, sagte Cloud leise. »Ich habe kein Recht, so mit dir zu reden. Vergessen wir’s.«
Für einen Moment musterte der Riemenmann den Neuen Lenker mit einem undeutbaren Blick aus seinen von Riemen umgebenen Augen. »Ich muß mich entschuldigen, Cloud«, äußerte er dann ebenso gedämpft. »Ja, lassen wir’s. Zwischen uns gibt’s weit mehr Gemeinsamkeiten als Meinungsunterschiede.« Er stieß einen dumpfen, schwer auslegbaren Laut aus. »Chantal hat die entsprechenden Vorbereitungen getroffen«, wechselte er das Thema. »Wir können praktisch jederzeit anfangen. Und ich wüßte keinen Grund, warum wir länger warten sollten.«
Etwas umständlich erhob sich Cloud aus dem vom Organsegler für ihn aus weichborkigem Gewebe geschaffenen Sitz. Sein Grüner Partner beschleunigte die Verschorfung und Heilung erheblich; trotzdem spürte er noch die Stellen an seinen Hüften, die er sich zwischen Lady Claribellas verchromten Schenkeln aufgescheuert hatte.
Das kommt davon, kommentierte der Grüne Partner süffisant. Sollte mich nicht wundern, wenn du diesem Weib völlig verfällst.
Du sprichst wohl von dir, was? schleuderte Cloud ihm im telepathischen Bereich entgegen. Meinst du, ich habe nicht gemerkt, wie es dir gefallen hat?!
Darauf antwortete der Grüne Partner nicht. »Also fangen wir an«, sagte der Psyter zu Llewellyn.
»Hört mal«, ergriff Claude Farrell das Wort. »Habt ihr zufällig ’ne Ahnung, ob man hier irgendwo Tabak kriegen kann? Die Dreckskerle haben mir alles weggenommen, und ich möchte endlich mal wieder …« Er verstummte, als er die verständnislosen, mißbilligenden Blicke der beiden anderen Männer bemerkte. »Na schön«, brummte er mißmutig. »Andermal ist auch ’n Tag.«
Claude Farrell, Llewellyn 709 und Scanner Cloud verließen den Hohlraum im Riesenleib des Organseglers und begaben sich durch weitverzweigte, von Leuchtsträngen diffus erhellte Kapillargänge aus dunklem, bisweilen von Kontraktionen und unbegreiflichen Lumineszenzen durchlaufenen Gewebe in eine andere, größere Kaverne.
In deren Mitte ruhte in einer unregelmäßigen Bodenerhebung die Biopsionische Speicheranemone in einem kleinen Tümpel aus Nährflüssigkeit. Cloud konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, daß Astletsat dies Behältnis mit besonderer Liebe und Fürsorge erzeugt hatte. Erneut wunderte er sich über die seltsam intime Beziehung zwischen dem gewaltigen organischen Raumschiff und dem kaum faustgroßen, hybriden Zuchtgewächs.
Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt für diesbezügliche Erwägungen.
Chantal Maikowin und ihre zwei Psychomechanik-Studentinnen waren bereits anwesend, saßen auf Gewebeschalen, die ihnen vollständige körperliche und seelische Entspannung gewährleisteten.
»Wir sind bereit«, gab die Mentalanalysatorin lakonisch bekannt.
Die bloße Absicht der drei Ankömmlinge genügte für Astletsat: sofort stellte er ihnen gleichartige Sitzgelegenheiten zur Verfügung.
Die Trauer des Organseglers beeinträchtigte seine Pflichttreue nicht im geringsten. Cloud, der Terranautenführer und Farrell ließen sich nieder.
Alles weitere bedurfte keiner Worte, zum einen, weil es eingeübt, zum anderen, weil es so vereinbart war; die sechs Psioniker fanden sich auf mental-parapsychischer Ebene zu einer Einheit zusammen, die der geistigen Loge ähnelte, die man zum Betrieb von Treiber-Raumschiffen brauchte.
Zuerst schenkte das Psioniker-Sextett seine gesamte Aufmerksamkeit der Biopsionischen Speicheranemone, die willig geschehen ließ, daß man sie unter vollständige paranormale Kontrolle nahm, regelrecht begierig nach Energien, die sie füllen konnten; danach jedoch richteten die sechs Beteiligten ihre PSI-Sinne nach draußen, tasteten mit aller Behutsamkeit nach den mentalen Präsenzen der Lebenswächter.
Unterdessen spielten sich im stählernen Konferenzsaal des
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