Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Terranauten TB 15 - Im 176. Jahr

Die Terranauten TB 15 - Im 176. Jahr

Titel: Die Terranauten TB 15 - Im 176. Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Weiler
Vom Netzwerk:
bestiegen die Wagen und fuhren weiter. Und in den Ohrempfängern … wütende Stimmen. Energetisches Zischen. Entladungen von Waffen.
    Zu spät, dachte Christiansen. Zu spät. Der Himmel steh uns bei!
    Sie kamen an anderen zerstörten Kontrollpunkten vorbei. Grubenarbeiter winkten ihnen zu. Verklärte Gesichter, halb verborgen hinter den rüsselartigen Atemmasken. Erbeutete Waffen. Auf der untersten Ebene der Mine herrschte das Chaos. Es hatte nur eines Funkens bedurft, um die Wut und den Zorn und die Enttäuschung explodieren zu lassen. Aber hier unten … es war nicht Haydrath. Es war nicht ganz Haydrath. Oben in Tulath wartete eine Garnison von Graugardisten. Ausgebildete Kämpfer mit bester Bewaffnung. Killer, die nur auf den Befehl zum Einsatz warteten.
    Weit oben rumorte es. Steine regneten durch den Einstiegsschacht. Dann rief jemand:
    »Sie haben den Ausgang gesprengt. Sie haben den verdammten Ausgang gesprengt! Wir sitzen hier unten fest …«

3
    Draußen wehten andere Winde. Draußen wüteten die Gezeiten eines anderen Ozeans. Eines Meeres, das niemand wirklich verstand. Nur wenige Zentimeter von transparentem Protop trennten Noelle von dieser Welt, die nicht die ihre war und doch zu einem Teil ihres Wesens gehörte: Weltraum II.
    Noelle war allein in der Aussichtskuppel des Treiberfrachters KIEW. Sie genoß die Einsamkeit, wenn sie auch ab und zu ihre mentalen Arme ausstreckte und ihre psionischen Sinne durch das Raumschiff treiben ließ. Die Träume der Passagiere, von Kälte eingefroren. Niemand konnte Weltraum II ertragen. Niemand, der normal war. Nur ein PSI-Begabter, ein Treiber. Sie spürte die sanften Emissionen der Mistel, mit deren Hilfe sich die Treiber während des Überlichtfluges in diesem fremdartigen Medium zu orientieren vermochten. Sie spürte die Gedankenwelten der anderen Treiber. Und sie sah Bilder der Vergangenheit, die sie nicht sehen wollte.
    Noelle wandte sich von den grauen Schlieren ab und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die tai -Karten vor ihr. Einhundertsieben Karten, die sie während der vergangenen Stunde zu einem unbewußten Schema angeordnet hatte.
    »Ruhig, hanjin«, sagte sie leise, als sich der Boratdyfreund unruhig zu bewegen begann. »Ganz ruhig. Du spürst es auch, nicht wahr?« Ein warmer Hauch war nahe ihren Gedanken. Es war die Symbolstimme der Meduse. Sie wirkte im Ruhestadium wie ein seidener Schal, den sie um den Hals trug. Ein Schal aber, der äußerst gefährlich war und sich als tödlich erweisen mochte für jemanden, der etwas Falsches zur falschen Zeit unternahm.
    Leise öffnete sich die Tür. Noelle sah auf und lächelte. Das Gesicht eines dreizehnjährigen Mädchens. Die Gedanken einer jungen Frau. Auf Boratdy blieb man lange jung.
    »Hier hast du dich also verkrochen«, sagte Angin Fertet. Er war ein alter Mann mit strähnigem, langen Haar. Ein Summacum. Und Logenmeister der KIEW. Er trat an sie heran und sah auf die tai -Karten. »Was sagen sie?«
    »Ich bin mir nicht sicher«, gab Noelle leise zurück. Eigentlich hatte sie die Karten nur gelegt, um sich selbst abzulenken. Doch ihr Unterbewußtsein … In dem Schema war eine Botschaft verborgen. Noelle war keine sonderlich geübte tai -Spielerin. Auf Boratdy gab es einige Spieler, die mit Hilfe dieser Karten die Zukunft sehen konnten. Ihr gelang das nur manchmal. Und auch dann erhielt sie nur sehr diffuse und undeutliche Ausblicke auf das Morgen.
    »Siehst du dies hier?« Sie deutete auf eine Karte mit einem blutroten Boratdysymbol. »Die Karte des Todes. Sie hat mehrere Bedeutungen: Untergang, körperliches Sterben, Negation. Und dies hier. Das Zeichen der Veränderung.« Sie runzelte die Stirn. Die Meduse bewegte sich noch immer. Etwas störte sie. »Das Zeichen für ein Ende. Auch das kann mehrere Bedeutungen haben. Ende im Sinne von Ziel. Verstehst du?«
    »Nein.« Er lächelte. Sie lächelte. Er war wie ein Vater für sie. Sie hatten sich lange Zeit nicht gesehen. Auf Darank war Noelle wieder zur Loge der KIEW gestoßen. Sie hatte sich verändert. Sie kannte nur noch Angin, niemand sonst. Die anderen Treiber … wie vorüberziehende Streiflichter, unbedeutende Bekanntschaften in einer unruhigen Zeit.
    Sie sah ihn an.
    Und er sagte, langsam und betont: »Warum bist du wirklich zurückgekehrt? Warum willst du unbedingt nach Haydrath?«
    Sie dachte an die Kisten in einem verborgenen Laderaum der KIEW. Sie dachte an den präparierten Ringo. Sie dachte an Ennet Christiansen und ihr Versprechen.

Weitere Kostenlose Bücher