Die Terranauten TB 15 - Im 176. Jahr
Sprengkapseln detonierten, spürten sie erst gar nichts. Ein fernes Rumoren, ein Zittern des Bodens mehr nicht. Dann kam Bewegung in den Schutt vor ihnen. Tonnenschwere Felsen neigten sich zur Seite. Von irgendwoher wehte frische Luft heran. Einige Arbeiter rissen sich die Atemmasken vom Gesicht.
Mit einigen anderen trat Ennet Christiansen an den nun freigelegten Hauptschacht heran. Von unten, aus der bodenlosen Schwärze, ertönte dumpfes Krachen. Ein Mann neben ihm zog einen erbeuteten Laser hervor und feuerte auf eine Gestalt, die oben am Grubenausgang zu sehen war. Einen Sekundenbruchteil später leckte ein rotglühender Blitz in die Tiefe, traf den Arbeiter am Halsansatz und löschte sein Leben aus. Er fiel in die Tiefe, lautlos.
Ennet warf sich zurück, und ein zweiter Blitz verfehlte ihn nur um Haaresbreite. Er keuchte und kroch zu den anderen zurück.
Sie sahen ihn stumm und erschrocken an.
»Es hat keinen Zweck«, sagte Christiansen dumpf. »Wir haben keine Chance. Dort oben warten keine normalen Sicherheitskräfte auf uns. Es sind Graugardisten aus Tulath.«
Fäuste wurden geballt. Einige der Männer weinten leise. Eine Hoffnung, jetzt wieder zerbrochen.
Christiansen kehrte zurück zum Schacht und rief: »Wir ergeben uns.« Er drehte sich um. »Bindet die Uniformierten los. Und gebt ihnen eure Waffen.«
Eine halbe Stunde später war alles erledigt. Lastaufzüge brachten die Arbeiter der Titaniummine wieder nach oben. Ennet Christiansen sah die kalten Gesichter von zwei Dutzend Graugardisten.
Killer, dachte er.
Sicherheitsmanag Shentan trat ihnen entgegen. Er lächelte. Ennet haßte ihn.
»Übel, übel«, tadelte Shentan wie ein Vater. »Das hättet ihr nicht tun sollen. Die Grube ist nun stark beschädigt. Es wird zu einer Produktionsminderung kommen. Den Ausfall habt ihr zu tragen.« Er wandte sich um und ging zu seinem MHD-Gleiter.
Niemand wurde verhaftet, niemand verhört. Es war auch nicht notwendig. Sie waren bereits Gefangene.
4
Die Zentralverwaltung von Kulturaimport Haydrath glich einem exotischen Palast, der sich aus Tulath heraushob wie ein strahlendes Juwel. Türme aus Marmor mit kunstvollen Verzierungen, Aufbauten, die vielleicht Holografieprojektionen sein mochten oder auch nicht. Es fiel schwer, Wirklichkeit von Illusion zu trennen.
Mikkael Nortin schritt an der Spitze seiner Delegation durch die Korridore der Verwaltung. Immer wieder sah er sich um. Sein hageres Gesicht war ausdruckslos, und die dunklen Augen nahmen alles in sich auf. Ilania an seiner Seite horchte. Sie trug unauffällige Kleidung, und ihr Gebaren war ebenfalls unauffällig.
Gut so, dachte Nortin.
Wasser plätscherte aus kristallenen Brunnen. Exotische Fische schwammen darin. Teure Importware. Vielleicht von Aqua. Oder einer anderen Naßwelt.
Sie scheint eine Menge Geld zu haben, dachte Nortin nüchtern. Ein Zusatzmosaik in dem allgemeinen Bild. Nun gut. Wir sind gekommen, um den Grundstein für eine umfassende Veränderung zu legen.
Ein Angestellter von Kulturaimport führte sie schließlich in eine weite, mit dicken Teppichen ausgelegte Zimmerflucht, die direkt an die Büroräume der Mangag anschloß. Nortin gab Ilania ein unauffälliges Zeichen. Nicht sprechen, bedeutete es. Vielleicht befinden sich hier Abhöranlagen. Oder andere elektronische Lauscher.
Schließlich wurden sie von Dianne DasMarens persönlichem Sekretär hineingeleitet. Die Manag saß hinter dem Schreibtisch und sah ihnen neugierig entgegen. Sie trug eine enganliegende, feuerrote Kombination. Ein guter Kontrast zu ihrem langen, pechschwarzen Haar. Die Augen: groß und dunkel und aufmerksam. Aus den Augenwinkeln registrierte Nortin, daß sich Ilanias Körper versteifte. Sie begann mit der Analyse. Und kein noch so empfindliches Gerät vermochte ihre Aktivität anzumessen. Sie war eine Rezessivempathin. Einer der Trümpfe, die er in Händen hielt.
»Bitte nehmen Sie Platz«, sagte Dianne weich und deutete auf die bereitstehenden Sessel. Nortin setzte sich, die anwesenden Mitglieder seiner Delegation ebenfalls. Andere bezogen inzwischen die Quartiere in Tulath. »Sie wollten mich sprechen …?«
Mikkael nickte. Eine sonderbare Frau, dachte er. Er kannte das Psychogramm ebenso wie ihren Lebensweg. Er kannte jedes Detail ihres Lebens. Es war notwendig für die Erfüllung seines Auftrags. Und doch … er hatte den Eindruck, irgend etwas übersehen zu haben. Ein eigenartiges Feuer glomm in den Pupillen der Manag.
»Ja. Mein Name ist Mikkael
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