Die Terroristen
Mädchen hatte den kleinen Karton bereits im Auto auf dem Weg zum Polishus aus ihrer Schultertasche genommen und ihm gegeben.
Gunvald Larsson hatte sich nur kurze Zeit in dem Raum aufgehalten. Er sah ein, dass dies ein Gespräch war, das Martin Beck am besten allein führte, und nachdem sie einen Blick des Einverständnisses gewechselt hatten, hatte er ihn mit Rebecka allein gelassen.
Sie saß nun abwartend genau gegenüber von Martin Beck, kerzengerade, die Hände auf den Knien gefaltet und das noch immer kindlich runde Gesicht bleich und angespannt. Sie schüttelte den Kopf, als er fragte, ob sie etwas zu essen, zu trinken oder zu rauchen haben wollte.
»Ich habe dieser Tage versucht, dich zu erreichen«, begann Martin Beck.
Sie blickte ihn verwundert an. Nach einer kurzen Pause fragte sie: »Warum?«
»Ich fragte Advokat Braxen nach deiner Adresse, aber er wusste nicht, wo du wohnst. Nach dem Prozess im Frühjahr habe ich mir manchmal überlegt, wie es dir wohl ergangen ist, und ich ahnte, dass es dir nicht gut geht. Dass du vielleicht Hilfe brauchen würdest.«
Rebecka zuckte die Achseln. »Ja. Aber jetzt ist es sowieso zu spät.«
Martin Beck bedauerte beinahe, was er gesagt hatte. Sie hatte Recht. Es war zu spät, und dass er einen halbherzigen Versuch, sie zu erreichen, unternommen hatte, konnte ihr in ihrer derzeitigen Situation kaum ein Trost sein.
»Wo wohnst du jetzt, Rebecka?«, wollte er wissen.
»In der letzten Woche habe ich bei einer Freundin gewohnt. Ihr Mann war einige Wochen verreist, und deshalb durften Camilla und ich dort wohnen, bis er wiederkam.«
»Ist Camilla jetzt dort?«
Sie nickte. »Glauben Sie, dass sie dort bleiben darf?«, fragte sie ängstlich. »Jedenfalls vorläufig? Meine Freundin nimmt sich ihrer gerne eine Weile an.«
»Das wird sicher möglich sein. Willst du dort anrufen?«
»Noch nicht. Nachher, wenn ich darf.«
»Natürlich. Du hast auch das Recht, einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Ich nehme an, dass du Advokat Braxen haben willst?«
Rebecka nickte wieder. »Er ist der einzige, den ich kenne. Und er ist sehr nett zu mir gewesen. Aber ich weiß seine Telefonnummer nicht.«
»Willst du, dass er gleich mal herkommt?«
»Ich weiß nicht. Sie müssen mir sagen, was ich zu tun habe. Ich weiß ja nicht, wie so etwas vor sich geht.«
Martin Beck hob den Hörer ab und bat die Vermittlung, Braket zu suchen.
»Er hat mir geholfen, einen Brief zu schreiben.«
»Ja. Ich habe die Kopie vorgestern in seinem Büro gesehen. Ich hoffe, du hast nichts dagegen einzuwenden.«
»Wogegen einzuwenden?«
»Dass ich deinen Brief gelesen habe.«
»Nein, wieso sollte ich. Dann wissen Sie auch, was die geantwortet haben?« Sie blickte Martin Beck finster an.
»Ja«, bestätigte er. »Nicht sehr aufmunternd oder hilfreich. Was hast du getan, nachdem du die Antwort erhalten hast?«
Rebecka zog die Schultern hoch und blickte auf ihre Hände. Sie saß eine Weile schweigend da, bevor sie antwortete:
»Nichts. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte ja geglaubt, dass er, der der höchste Chef des Landes war, etwas unternehmen könnte, aber als es ihm gleichgültig zu sein schien …«
Sie machte eine kleine hoffnungslose Geste mit den Händen und fuhr fort, beinahe flüsternd:
»Jetzt spielt das keine Rolle mehr. Nichts spielt mehr eine Rolle.«
Sie sah so klein und einsam und erschöpft aus, wie sie da saß, dass Martin Beck beinahe aufgestanden wäre und ihr über das glatte Haar gestrichen hätte oder sie in den Arm genommen und getröstet hätte. Stattdessen fragte er:
»Wo hast du den ganzen Herbst über gewohnt? Bevor du zu deiner Freundin gezogen bist?«
»Mal hier und mal dort. Eine Zeit lang waren wir in einem Sommerhaus draußen in Waxholm. Ein Freund hat uns da wohnen lassen, während seine Eltern im Ausland waren. Dann, als sie nach Hause kamen, durfte er uns nicht mehr da bleiben lassen, und da zog er zu seiner Freundin und überließ uns sein Zimmer. Aber nach einigen Tagen begann seine Vermieterin zu nörgeln, und da mussten wir wieder ausziehen. Ja, und danach haben wir bei verschiedenen Freunden gewohnt.«
»Hast du nicht daran gedacht, dich an die Sozialbehörde zu wenden? Die hätten dir vielleicht eine Wohnung besorgt.«
Rebecka schüttelte den Kopf.
»Das glaube ich nicht. Die hätten mir nur das Jugendamt auf den Hals geschickt, und dann hätte man mir Camilla weggenommen. Ich glaube nicht, dass man sich auf irgendeine Behörde in diesem Land
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