Die Terroristen
verlassen kann. Die kümmern sich nicht um die gewöhnlichen Leute, die weder reich noch bekannt sind, und was die unter helfen verstehen, nenne ich jedenfalls nicht Hilfe. Die legen einen nur rein.«
Sie hörte sich bitter an, und Martin Beck wusste, dass es keinen Zweck hatte, ihr zu widersprechen.
Außerdem hatte er keinen Grund dazu. Im Großen und Ganzen hatte sie Recht.
Er begnügte sich damit, »mmm« zu sagen.
Das Telefon klingelte. Die Vermittlung teilte mit, dass Advokat Braxen in seinem Büro und beim Gericht nicht anzutreffen war. Eine Nummer seiner Wohnung war im Telefonregister nicht verzeichnet.
Martin Beck vermutete, dass Braket seine Wohnung im gleichen Haus wie sein Kontor hatte und sich mit einem Anschluss begnügte. Er bat die Dame in der Vermittlung, weiter nach Braxen zu suchen.
»Das spielt doch keine so große Rolle, ob Sie ihn finden«, meinte Rebecka, als Martin Beck den Hörer aufgelegt hatte. »Diesmal kann er mir sowieso nicht helfen.«
»O doch. Du darfst den Mut nicht verlieren, Rebecka. Auf jeden Fall musst du einen Verteidiger haben, und Braxen ist ein guter Rechtsanwalt. Der Beste, den du bekommen kannst.
Aber bis auf weiteres musst du mit mir vorlieb nehmen. Glaubst du, dass du erzählen kannst, was geschehen ist?«
»Sie wissen doch, was geschehen ist.«
»Ja, ich meine eher das, was vorher geschehen ist. Du hast dir doch dies alles eine Zeit lang überlegt.«
»Ihn zu töten, meinen Sie?«
»Ja.«
Rebecka saß eine Weile schweigend da und blickte auf den Fußboden. Dann hob sie den Kopf und sah ihn so verzweifelt an, dass Martin Beck erwartete, sie würde jeden Moment zu weinen anfangen.
»Jim ist tot«, sagte sie tonlos.
»Wie …«
Martin Beck brach ab, als Rebecka sich hinunter nach ihrer Tasche beugte, die auf dem Fußboden neben ihrem Stuhl stand, und darin zu suchen begann. Er nahm sein Taschentuch, das sauber, aber ein wenig zerknüllt war, aus der Jackentasche und reichte es ihr über den Tisch. Sie blickte mit tränenlosen Augen zu ihm auf und schüttelte den Kopf. Er steckte das Taschentuch wieder ein und wartete, bis sie gefunden hatte, was sie in ihrer Schultertasche suchte.
»Er hat sich das Leben genommen.« Sie legte das Luftpostkuvert mit den blauweißroten Kanten vor ihn auf den Tisch. »Sie können den Brief von seiner Mutter lesen.«
Martin Beck nahm das raschelnde Luftpostpapier aus dem Umschlag. Der Brief war mit Maschine geschrieben und bestand aus einem einzigen Bogen. Der Ton war trocken und sachlich, in dem nüchternen Text gab es nichts, was darauf hindeutete, dass Jims Mutter mit Rebecka Mitleid hatte oder auch nur um ihren Sohn trauerte. Überhaupt drückte der Brief keinerlei Gefühle aus und wirkte daher ziemlich grausam.
Jim war am 22. Oktober im Gefängnis gestorben, schrieb sie. Er hatte sich aus einer Decke ein Seil geflochten und sich an der obersten Pritsche in seiner Zelle erhängt. Soweit sie wusste, hatte er keine Erklärung, Entschuldigung oder eine Nachricht anderer Art hinterlassen, weder für seine Eltern noch für Rebecka oder sonst jemand anderen. Sie wollte Rebecka unterrichten, da sie wüsste, dass sie sich Sorgen um Jim gemacht habe und ein Kind hätte, dessen Vater Jim eventuell sein konnte. Rebecka konnte nun aufhören, darauf zu warten, dass Jim von sich hören lassen würde. Frau Cosgrave schloss den Brief damit, dass die Art und Weise, wie Jim gestorben war - offenbar nicht sein Tod, sondern die Art und Weise - seinem Vater sehr zu schaffen gemacht habe und seinen bereits schlechten Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe. Unterzeichnet: Grae W. Cosgrave.
Martin Beck faltete den Brief zusammen und steckte ihn zurück in den Umschlag. Der war am 11. November abgestempelt worden.
»Wann hast du den bekommen?«
»Gestern Morgen. Die einzige Adresse, die sie hatte, war die meiner Freunde, bei denen ich im Sommer gewohnt habe, und es dauerte ein paar Tage, bis die mich erreicht haben.«
»Das ist kein besonders freundlicher Brief.«
»Nein.«
Rebecka saß stumm da und blickte auf den Brief, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag.
»Ich habe nicht geglaubt, dass Jims Mutter so eine war«, sagte sie schließlich. »So hart. Jim hat viel von seinen Eltern erzählt, und es schien, als ob er sie sehr gern hatte. Den Vater vielleicht am meisten.«
Sie zuckte wieder die Achseln und fügte hinzu:
»Obwohl Eltern ihre Kinder ja nicht notwendigerweise lieben.«
Martin Beck verstand, dass sie auf ihre eigenen
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